Donnerstag, 21. Dezember 2017




 Nachschau  1.12.2017 :                            
       Die Göttin der Gelegenheit


Grundlage der Diskussion an diesem Abend war der Text „Die Göttin der Gelegenheit“ von Thomas Vasek erschienen in der Philosophie Zeitschrift „Hohe Luft“ am 4.10.2016.

In dem Text geht es um die beiden Götter der griechischen Mythologie Chronos und Kairos. Chronos steht für den Fluss des Lebens im Allgemeinen und Kairos, dargestellt als junger Mann mit Flügeln an den Füßen, kahl im Nacken, aber mit einem Haarschopf an der Stirn, für den günstigen Augenblick, den man ergreifen kann. Grundlage von allem aber ist der transzendente Logos, von dem man intuitiv Weisungen erhalten kann, wenn man sich für ihn öffnet. So können Gelegenheiten zu einer intelligenten Weichenstellung führen. (Im Johannes-Evangelium wird der Logos mit Gott gleichgesetzt.)

Zum Einstieg in das Gespräch wurden folgende Fragen gestellt:
Wo begegnet uns die günstige Gelegenheit im Alltag?
Partnerwahl/Lebensort/ Beruf/ Freundschaften....
Wie gehen wir mit ihr um?
Freudig oder zögerlich - dankbar oder selbstverständlich - eher bejahend oder verneinend?
Handlungskompetenz:
Die Chance im flüchtigen Moment erkennen und ergreifen - was brauche ich, um zuzugreifen? Achtsamkeit, Mut, Vertrauen in das Unbekannte?
Darf ich die günstige Gelegenheit einfach verstreichen lassen, einen anderen Weg
wählen?
Was bewirken Gelegenheiten in unserem Leben?
Veränderung oder Bedrohung?
Bewegung oder Stillstand?
Bereuen wir verpasste Gelegenheiten?
Muss ich verpasste Gelegenheiten bereuen? Ich drehe schließlich in diesem Leben nur den einen Film...
Gilt Reue für Handlungen im Leben oder auch für die Nicht-Handlungen?
Existiert eine zeitliche Begrenzung?
Die günstige Gelegenheit gilt hier: „jetzt oder nie“?
Gibt es sie wirklich, diese einmalige, nie wiederkehrende Chance?
Bietet uns das Leben nicht zahlreiche Gelegenheiten?
„ Vorbei ist vorbei“- Realität oder subjektive Wahrnehmung?

In der nachfolgenden Diskussion wurden u.a. zwei Beispiele gebracht:
1. Entspricht der Kauf eines Druckers, der ein günstiges Angebot darstellt, dem, was mit
    Kairos gemeint ist?
2. War die deutsche Wiedervereinigung einfach eine günstige Gelegenheit für das Volk durch die vorhergehende Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr und von Glasnost und Perestroika unter Gorbatschow, oder war sie ein generalstabsmäßig geplanter Akt, den Kohl entschlussfreudig genutzt und weitergeführt hat?
Vieles im Leben hat seinen Kairos, seinen richtigen Moment. Dieser Moment ist ein Ein­schnitt im Fließen des Chronos (dem Verlauf des Lebens). Der Kairos tritt unverhofft ein, ist dem Chronos übergelagert und gibt ihm Würze. Man kann solche Geschenke ergreifen oder verpassen. Entscheidend ist die Achtsamkeit, die Präsenz des Unterscheidungsvermögens.


Vorschau 5.1.2018:
    "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan (Goethe)  - 
     Frauen der Reformation"  (PP Präsentation)              Marlies Meyer 

Die Reformation wurde in Deutschland zu einem maßgeblichen Teil von Frauen mitgestaltet; entweder in Form von Flugschriften oder Liedern, oder indem sie den reformatorischen Gottesdienst und nicht die altgläubige Messe besuchten, oder indem sie ihre Kinder im evangelischen Sinn erzogen. Oder indem sie als Fürstinnen versuchten, die neuen Erkenntnisse in ihrem Einflussbereich umzusetzen.

Viele von ihnen nahmen die wieder entdeckte Freiheit und den damit verbundenen
Gleichheitsgedanken von Mann und Frau für sich selbst in Anspruch, um sie in
Partnerschaft und Familie umzusetzen. Auch die reformatorische Aufwertung von Kindererziehung und Haushalt kam den Frauen zugute, allerdings mit dem tragischen Nebeneffekt, dass sie nun noch stärker als vorher an die Hausarbeit gebunden wurden.
Frauen lasen die Bibel in der Neuübersetzung Luthers und erkannten ihren eigenen Wert.

Frauen haben die reformatorischen Ideen nicht nur verbreitet, sie haben auch aktiv an deren Entwicklung teilgenommen. Eine Erkenntnis, die erst einige Jahrzehnte alt ist. Vorher hat sich niemand die Mühe gemacht, die Quellenlage aus der Zeit der Reformation auch im Blick auf weibliche Autorenschaft hin zu untersuchen.

Horst Gorski, EKG-Vizepräsident:
"Wir  brauchen eine Theologie, die Erfahrungen erfahrbar macht."
Dies genau war die Einstellung der bedeutenden Frauen der Reformationszeit; denn sie beurteilten ihre Lebenserfahrungen im Lichte der neuen Lehre und setzten sie mutig dort um, wo ihr Wirkungskreis ihnen dazu die Möglichkeit gab.

Nach ungefähr 40 Jahren war die frisch erworbene Anerkennung des weiblichen Gewichts der neuen Zeit beendet worden.

Es werden an diesem Abend einige markante Frauen der Reformation angeführt und mit PP Bildern veranschaulicht. Der Bedeutung des Zitats von Goethe am Ende vom Faust II wollen wir gemeinsam nachgehen.