Samstag, 18. Februar 2017

 

                                                                                                           
Nachschau  3.2.2017: Dialogrunde – Wie löse ich meine Probleme? 
                                                                                                         Birgit Linneman, Christian Brehmer         

Eine runde Runde  knüpfte an unsere runde Runde vom letzten Mal an (s. Nachschau vom  6.1.) Es ging um die Fortsetzung und Vertiefung des achtsamen Dialoges nach David Bohm mit unserer aktuellen Fragestellung als Thema. Form und Inhalt waren uns also  gleich wichtig.   Die Gesprächsführung hatte wieder Klemens Speer aus Osnabrück.

 Zunächst  wurden noch einmal die Spielregeln des Dialoges wiederholt und die Empfehlung ausgesprochen,  im Gespräch zu 50 Prozent bei sich selbst zu bleiben und zu 50 Prozent sich gleichzeitig der Gruppe bewusst zu sein. (Eine Empfehlung, die im integralen Bewusstsein zur gelebten Realität wird.) Die Selbstbezogenheit soll ein persönliches Feld von Achtsamkeit und Kreativität fördern, das gleichzeitig das Gruppenfeld aufbaut, welches rückwirkend wiederum das persönliche Feld stärkt. So kann Co-Kreativität entstehen (s. Vorschau 3.2.) Doch hier sind wir noch ganz Anfänger. Die Dynamik wurde durch die Entspannungsreise und Meditation zu Beginn der Runde vorbereitet.

Das Thema unserer 1. Dialogrunde war: „Wie löse ich meine Probleme im Leben  für mich allein?Also abweichend von der vorgesehenen Fragestellung.



Die Beiträge waren lebendig und vielfältig wie das Leben selbst.  Als Beispiel:     
 >  Das Problem anschauen, ist es überhaupt ein Problem? Oder mache ich mir ein Problem.  Bin ich Teil des   Problems?                                                                                                                     
> Klarheit verschaffen durch Nachdenken. Gefühle zulassen. Manchmal kommt es zu einem Widerspruch zwischen Kopf und Bauch.  In der Entspannung, in der Stille, kann sich die Lösung einstellen.  > Mitunter gehen wir tagelang schwanger mit einem Problem, bis plötzlich die Antwort wie aus heiterem Himmel kommt.                     
 > Informieren, Lektüre heranziehen, mit anderen darüber sprechen ist  hilfreich.                                                                                                                             > Das Bauchgefühl kann  irreführen. Gemäß der Hirnforschung hat das Gehirn bereits entschieden, bevor uns die Lösung bewusst wird.                                                            > Empathie für den Konfliktpartner, aber auch Empathie für mich selbst bewahren.                                                                                                                              > Stufen der Kreativität: 1. Problem klar eingrenzen (Präparation) 2. Loslassen,  entspannen (Inkubation) 3. „Aha“ Erfahrung (Intuition) 4. Überprüfung (Verifikation) 5. Ausarbeitung, Umsetzung (Elaboration).                                           

In der 2. Runde war die Fragestellung: „Wie kann ich mit Hilfe anderer meine Probleme lösen?“
 > Familienrat, Teambesprechung, runden Tisch etc. organisieren.                           
 >  Fachberatung nutzen: Sozialarbeiter, Psychologen, Ärzte oder dergleichen.    
 >  Verhandeln, Kompromisse suchen. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg.                                                                                                          
>  Co-Councelling in kleinen Selbsthilfegruppen, in denen unterdrückte Gefühle abreagiert und Blockaden gelöst werden können.                                                         
 >  Der Mensch kann dumm sein – er muss sich nur zu helfen wissen: Partner, Freunde, sich mit anderen zusammentun, Computer heranziehen etc.

Die Abschlussrunde gab Raum für Kommentare und Kritik. Schließlich gab es noch einen Smoothie auf CD: Mantragesang des Dalai Lama.  



Vorschau 3.3.2017: Bauchgefühl vs. Rationalität      Jürgen Staas    

 Was wir volkstümlich  Bauchgefühl nennen, ist dem Emotionalen zuzuordnen, der Intuition, der Spontanität,  dem unmittelbaren subjektiven Empfinden. Es bewirkt spontane Entschlüsse, ohne diskursiven Gebrauch des Verstandes. Es kann empathisch und kreativ sein. Phantasie gehört dazu, der plötzliche Einfall, die „Idee“,  der Geistesblitz, Eingebung, Einsicht, ohne bewusste Ableitung. Unvorhergesehene Entdeckungen und Erfindungen sind ihm zu verdanken. Beobachtungsgabe und frühere Erfahrungen sind dabei oft Voraussetzungen. Auch spontane Hilfen oder Rettungseinsätze können positive Resultate sein. Philosophisch gehören Evidenz, „Wesensschau“,  Phänomenologie mit zur Begrifflichkeit. Auch die „emotionale Intelligenz“  (D. Goleman) ist ihm zuzuordnen, oder der englische  Begriff der „serendipity“:  coined by Horace Walpole: apparent aptitude for making fortunate dicoveries – Webster's Dict.).  Soweit das Positive. Aber wo steht geschrieben, dass das Bauchgefühl immer nur Positives bewirkt?  Einwände, Kritik:

„La raison est dupe du coeur.“  La Rochefoucauld. ( Die Vernunft wird vom Herzen /Gefühl getäuscht, an der Nase herumgeführt.)   Das Bauchgefühl bzw. die Intuition 
_ist nicht verfügbar  (ist es trainierbar?)
_es ist irrational,  nicht kontrollierbar
_ es ist ein „komplexitätreduzierendes Verfahren der Kognition"  (terrible simplificateur)
_entbehrt der Logik
_ ist verwandt mit Selbsttäuschung
_ kann Angst bedeuten, braucht Feindbilder
_ kann Escapismus  sein
_ kann im Extremfall  zu Affekthandlungen führen

Sind nicht alle unseren aktuellen Probleme dem „Bauchgefühl“ geschuldet?  

Brexit,  post-faktisch  (engl. post-truth!),  Trumpwahl  (großer „Bauch“-Redner!),  Populismus,  Rückfall in Nationalismus, Protektionismus, etc.,  Angst vor Globalisierung und Identitätsverlust.

Papst Franziskus: „In Zeiten der Krise versagt das Urteilsvermögen. Wir suchen Heilsbringer, die uns unsere Identität zurückgeben.“  -   Der instinktive Herdentrieb treibt uns auf die Suche nach dem Leithammel, nach dem starken Mann. Angst sucht Sicherheit.

Die Rationalität der Demokratie mit ihren endlosen Diskussionen und Verhandlungen und dem Zwang zu Kompromissen erzeugt ein Gefühl von Frust und Langeweile,  zumal lange Perioden in Frieden, Freiheit und Wohlstand  dazu führen, diese für selbstverständlich zu halten. Da wächst das Verlangen nach Stimulation. Globalisierung wird als Identitätsverlust empfunden. Die Abschottung des eigenen Territoriums  (Protektionismus) bietet sich da als Lösung an. 
                      
    
                                                                                                

5 Kommentare:

  1. „Sind nicht alle unseren aktuellen Probleme dem „Bauchgefühl“ geschuldet?

    Brexit, post-faktisch (engl. post-truth!), Trumpwahl (großer „Bauch“-Redner!), Populismus, Rückfall in Nationalismus, Protektionismus, etc., Angst vor Globalisierung und Identitätsverlust.“

    schreibt Jürgen Staas in seiner Vorschau.

    Ich möchte eine Gegenthese zur Diskussion stellen:

    Etliche unserer aktuellen Probleme sind auf rationale Entscheidungen zurückzuführen - Entscheidungen unserer „Eliten“.

    Diese haben durch bewußte politische Entscheidungen soziale Ungleichheit und Politikverdrossenheit gefördert und so die Grundlage dafür geschaffen, daß rechte Bewegungen und Parteien an Boden gewinnen.

    Die Globalisierung wurde dabei als Vorwand für die Durchsetzung unsozialer politischer Maßnahmen genutzt. Wen wundert es also, wenn die Globalisierung von vielen als Bedrohung angesehen wird?

    Stichworte zur Begründung meiner These:

    -> Agenda 2010 => Niedriglohnsektor, Staat: Sparen statt Investieren, Steuerungerechtigkeit, Umverteilung von unten nach oben, ...

    -> EU: mangelnde Transparenz, mangelnde Demokratie (CETA, Trilog, ...), Hineinregieren in andere Länder (Griechenland), ...

    Dies sind nicht die einzigen Ursachen für die von Jürgen genannten Phänomene. Sie sollten aber bei Analyse berücksichtigt werden - auch wenn es um V e r a n t w o r t u n g geht.

    Zum Stichwort „ p o s t t r u t h “: Ich kann sofort 10 Lügen nennen - von Frau Merkel, Herrn Gabriel, Herrn Steinmeier, ... auch von Ex-Kanzler Schröder, dem damaligen Vizekanzler Fischer und dem damaligen Verteidigungsminister Scharping. Lügen, die im Falle der Letztgenannten zur Rechtfertigung des völkerrechtswidrigen deutschen Eingreifens in den Kosovokrieg dienten und so Tausende Menschenleben kosteten.

    Der Ausdruck „post truth“ unterstellt, daß es eine Zeit der Wahrheit gegeben habe. Für die Politik zumindest scheint dies nicht zuzutreffen.

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    1. Ein kritischer Geist schrieb mir auf meinen Kommentar hin:

      „Es ging ja um Bauchgefühl vs. Rationalität. Die Beispiele bringen uns auf die politische Ebene.“

      Ich habe zu Beginn meines Kommentars bewußt das Zitat aus Jürgens Vorschau angeführt, in der er mit Brexit, Trump, Globalisierung etc. die politische Ebene ins Spiel bringt. Schon bei unserem Treffen habe ich betont, daß es mir nicht um eine Kritik von Jürgens Ausführungen geht, sondern daß ich eine zusätzliche Perspektive einbringen möchte.

      OK, ich rede in meinem Kommentar von „Gegenthese“. Der Bezug zum Thema „Bauchgefühl vs. Rationalität“ ist E. gegeben, wenn ich im Unterschied zu Jürgen sage:

      „Etliche unserer aktuellen Probleme sind auf rationale Entscheidungen zurückzuführen - Entscheidungen unserer „Eliten“.“

      Ich halte es für zu kurz gegriffen und vielleicht sogar für ein wenig arrogant, wenn wir den Brexit- und Trump-Befürwortern, den Globalisierungskritikern, ... die Rationalität absprechen (und gleichzeitig - und sei es implizit - uns sowie besagten „Eliten“ diese Rationalität zuerkennen).

      Es gibt ernstzunehmende Wissenschaftler, die schreiben, „dass Freihandel nicht grundsätzlich und stets zu Win-win-Situationen führt“ (Binswanger) oder daß Freihandel das Wachstum bremsen kann (Podkaminer) - ohne sich deshalb allerdings für Protektionismus auszusprechen.

      Viele Dinge sind so komplex, daß es mir zumindest sehr schwer erscheint festzustellen, was richtig und was falsch ist. Wenn Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft eine Form der Globalisierung umsetzen, die für sehr viele Menschen zu einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen führt, dann kann ich zumindest diesen Menschen nicht von vornherein die Rationalität absprechen. Sie verlangen möglicherweise zu Recht, daß der Globalisierungsprozeß so ausgestaltet wird, daß auch ihre Interessen Berücksichtigung finden. Und dieses Verlangen wäre z.B. durchaus rational begründbar.

      Wenn die verantwortlichen (!) Politiker sich anderen Interessen verpflichtet fühlen als denen der Mehrheit, dann hat es m.E. auch einen rationalen Kern, wenn die Wähler besagten Politikern die rote Karte zeigen. Das Rationale besteht dann in der Erkenntnis: „Mit Euch können wir unsere Interessen nicht durchsetzen. Euch wählen wir nicht mehr.“ Bedenklich wird es, wenn stattdessen Parteien an Zustimmung gewinnen, die ihrerseits die Enttäuschung der Menschen ausnutzen, aber letztlich ebenfalls gegen deren Interessen agieren.

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