Nachschau 2.12.2016 : Was macht Menschen empfänglich für
Ideologien?
Klaus Burghardt,
Christian Brehmer
Einleitend wurde das Positionspapier (s. Vorschau) mit Anmerkungen vom Verfasser/ Referenten vorgetragen.
Es gab reichlich, z.T. kontroversen Gesprächsstoff. Ist es doch die Frage "warum?", die nicht nur Kinder, sondern insbesondere Philosophen herumtreibt. Die Reflexion steht am Anfang aller Philosophie. Sie kommt zu kurz in unserer schnelllebigen Zeit, oftmals mit fatalen Folgen. Das sehen wir am aufflammenden Nationalismus in der Weltpolitik: Trump, Front National, Polens Regierung, Brexit, Erdogan, AfD - um nur einige Reizworte zu nennen. Sie zehren von unreflektierten Ideologien. Und gleichfalls unreflektierte Emotionen sind es, welche die Menschen dafür empfänglich machen. Die Realität wird verzerrt, die Menschen leiden.
Als eine mögliche
Ursache für den Erfolg rechter Bewegungen wurde die Angst vor der
Globalisierung genannt. Ob die Globalisierung nicht selbst eine Ideologie sei, fragte ein
Teilnehmer kritisch. Zu bedenken sei auch, so eine weitere Position, dass die
Hinwendung zu rechten Parteien eine Reaktion der Menschen darauf sein könne, dass
sie sich von der offiziellen Politik im Stich gelassen und nicht ernst genommen
fühlten. Die gute wirtschaftliche Entwicklung komme bei vielen Menschen nicht
an. Eine unsichere soziale Lage, prekäre Arbeitsverhältnisse*, Abstiegsängste,
ungerecht erscheinende Einkommens- und Vermögensverteilung**, ... dazu
politische Entscheidungen, die den Einstellungen vieler Bürger entgegenliefen
führten zu einer „Jetzt-sind-wir es-leid“-Haltung.
Sind unpopuläre
Maßnahmen von (oftmals der neoliberalen Ideologie anhängenden?!) Politikern
notwendige Folge der Globalisierung oder wird Letztere als Vorwand für eben
jenes politische Handeln genutzt? Die Frage bleibt (natürlich) offen.
Auch das folgende
Problem wurde nur kurz angerissen:
Wir können uns
bestimmten Ideologien gegenüber (Freie Marktwirtschaft, Jeder ist seines
Glückes Schmied, ...) kaum behaupten, so eine These. Von klein an beeinflußt
(Eltern, Schule, Ausbildung, ..., später kommen Werbung und Medien hinzu) ist
es sehr mühsam, sich z.B. durch Nutzung alternativer Informationsquellen
eigenständige Positionen zu erarbeiten.
Die Anfälligkeit
für Ideologien, so die wiederholte Meinung, sei Folge von Mangel an Reflexion.
Zur Behebung der Schwierigkeiten müsse man beim Individuum ansetzen. „Probleme
kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
(Albert Einstein) Es gehe also darum, zu einer neuen Denkweise, einem neuen
Erkenntnismodus, einem neuen Bewußtseinsmodus zu gelangen.
Hierbei könne die
Meditation helfen: Das logisch-diskursive Denken werde durch rekursives Denken,
durch Lenkung der Aufmerksamkeit nach innen, ergänzt. „Das Denken des
Nichtdenkens“ (Aristoteles), die Stille, führe den Menschen zur Sophia, zur
Weisheit.
Gegen Ende des
Treffs wurde das Thema „Kollektivbewußtsein“ angesprochen und zu einem der
möglichen Themen im nächsten Jahr gekürt.
_______________________________
Folgende Zahlen
wurden u.a. genannt:
*
- Rund 39 Prozent
aller abhängig Beschäftigten in Deutschland waren 2015 in Teilzeit, Leiharbeit
oder Minijobs tätig.
- 7,02
Millionen Menschen leben von Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen
- Diejenigen,
deren Löhne kein Tarifvertrag mehr regelt - das ist inzwischen jeder zweite -,
verdienen heute 18 Prozent weniger als im Jahr 2000.
**
- Noch 1970
gehörten dem reichsten Zehntel der deutschen Gesellschaft 44 Prozent des
gesamten Volksvermögens. 2012 gehören ihm über 66%.
- Die
Einkommensungleichheit ist heute deutlich höher als noch vor gut 20 Jahren.
- Innerhalb der
Eurozone ist Deutschland das Land mit der zweithöchsten Vermögensungleichheit.