Montag, 25. Juli 2016

Nachlese 1. 7. 2016

Die Intuition                                       Klaus Burghardt      

Jeder möchte wohl gerne Erkenntnis gewinnen
Was ist Wahrheit? so fragt sich die Philosophie
Alles Wissen, so heißt es, hebt an von den Sinnen1
Nur - die geben Dir keine Erfolgsgarantie

Also bleibt der Verstand, wird so mancher sich sagen
[Die Vernunft muß ihn lotsen und leiten und lenken]
Der beschäftigt sich gerne mit kniffligen Fragen
Doch manch' Lösung verschließt sich dem logischen Denken

Nimm nur einmal als Beispiel die Welt der Gefühle
Mit Affekten und Ahnungen, Zweifeln und Angst
Völlig klar, daß Du etwa bei Haß oder Liebe
Mit der Logik wohl kaum zu Erkenntnis gelangst   

Auch auf and'ren Gebieten ergeben sich Schranken
Ob Natur, ob Gesellschaft, ob Recht, ob Moral
Die genialsten, gescheitesten, kühnsten Gedanken
Die verrennen sich völlig und scheitern total

Doch zum Glück gibt's noch and're Erkenntnismethoden
Eine kennen wir alle als „Intuition“
Nach dem Forschen: entspannen, verschnaufen, erholen ...
Und Heureka! - die phänomenale Vision

Archimedes lag chillend verträumt in der Wanne
Als ihn plötzlich abrupt der Erkenntnisblitz traf
Als er unverhofft glasklar die Lösung erkannte ...
Kekulé ging es ähnlich - im halbwachen Schlaf

Unser inneres Auge hat etwas gesehen
Nein, genauer vielleicht: Es hat etwas „geschaut“
Dies will allerdings nun der Verstand auch verstehen
Der hat immer schon sehr auf Kontrolle gebaut

Er will prüfen, bewerten und elaborieren
Als Pragmatiker wie auch als Rationalist
Dann noch implementieren und  verifizieren -
[Und auch dokumentieren! verlangt der Chronist :-)]

Jeder sollte sich also demnächst mal entspannen
Manchem hilft hier ein Bier, and'ren Meditation
Wenn wir nun auch noch jegliches Denken verbannen
Sind wir endlich bereit für die INTUITION

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1    „Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande, und endigt bei der Vernunft, ...“
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/kritik-der-reinen-vernunft-1-auflage-3508/56


Vorschau: 2. Sept. 2016 beim Künstlerpaar R. u. D. Pentzeck

Am Ende unseres Treffens am 1.7. kamen wir auf den "Brexit" zu sprechen. Droht die EU auseinanderzufallen?  Fehlt es den Mitgliedern an Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeits-Gefühl? Was sind unsere gemeinsamen Werte und Wurzeln? Dazu das Einführungsreferat von Jürgen Staas am 2.9. Oder gibt es so etwas wie eine europäische "Leitkultur"? Oder müssen wir erst mal in unserem eigenen Land oder bei uns persönlich ansetzen?  
 
„Das Abendland retten, aber richtig!“                                              Jürgen Staas       

Bezug: Petra Bahr, ev. Theologin in  „Christ u. Welt“ ( Zeit-Beilage)  v. 25. Mai 2016.

Ausgerechnet die extreme Rechte  (AfD) will das christliche Abendland retten?  These des Aufsatzes: Wir sollten es nicht zulassen, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht wird. -  Was meinen wir überhaupt mit dem Begriff des christlichen Abendlandes, was sind seine Wurzeln und Merkmale?  Die Quellen entspringen auf vier  berühmten Hügeln:  am Sinai,  in Jerusalem  („du hochgebaute Stadt“),  auf der Akropolis und auf dem Capitol.  

Am Sinai  offenbart sich der eine  (monotheistische), eifersüchtige Gott dem Mose, der das Volk Israel aus dem „Sklavenhaus“ geführt hat. JHWH  schließt den „Treuebund“  mit seinem Volk (s Jan Assmann „Exodus“)  und gibt ihm die 10 Gebote.  - In Jerusalem steht das Kreuz, nach dem alle Menschenopfer ein Ende haben sollen. Neben die Gerechtigkeit (AT) treten Mitleid, Versöhnung, Liebe (NT).  Das Vermächtnis von Gott „Vater“ und „Sohn“ bleibt schließlich der Hl. Geist, der Geist, der Freiheit verheißt.  (Interpretation der Trinität nach Joachim von Fiore, 13./14. Jh.) .

Die Akropolis steht für die Geburt der abendländischen Philosophie und Wissenschaft.  Hier entstehen die verschiedenen Denkschulen (Platoniker, Epikureer, Stoiker, Skeptiker),  machen berühmte Mathematiker und Physiker ihre Entdeckungen.  Es ist die Zeit klassischer Tragödien und Komödien, Die Polis  bringt die Anfänge der Demokratie hervor. 

Rom steht für Recht und Gesetz, für staatliche Ordnung,  trotz allem kaiserlichen Machtmissbrauch.

Renaissance und Reformation erneuern dieses Erbe und leiten über zur aufgeklärten Moderne. Keine Hügel mehr, sondern Städte stehen für Highlights des westlichen Geistes.  Wittenberg und Genf,  Königsberg und Potsdam,  London, Philadelphia  und Paris. Der konstitutionelle Rechtsstaat, die liberale Demokratie, Menschenrechte und Gewaltenteilung garantieren die individuellen Freiheiten des Staatsbürgers, des Citoyen der Neuzeit. 

Vergessen werden sollte auch nicht die Kunst, die diese Kultur hervorgebracht hat:  Die Architektur, die Musik,  die bildende Kunst,  also die Kathedralen und Schlösser,   die großen Symphonien, Oratorien und Opern,  die Gemälde und Statuen,  und nicht zuletzt der unendliche Reichtum der Literatur, die ohne diesen umfassenden  kulturellen Hintergrund gar nicht zu verstehen ist. Die Vermittlung dieser reichen westlichen Kultur sollte immer wieder Verpflichtung jeder Bildungspolitik sein.
                                                                                                                 sts

Europäische Werte

 Europäische Werte - was könnte das sein?
Etwa Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit?
Viel zu oft zählt, so scheint mir, die Freiheit allein
Liegt sie doch mit den andren beständig im Streit
 
Diese Freiheit - beherzt, voll berechnender Kraft
Mit den Worten: Entschuldigt, ich bin mal so frei!
Hat's als Erste bis ganz an die Spitze geschafft
Weil sie eh von den Werten der wichtigste sei
 
Ihr Bestreben, sich stetig und frei zu entfalten
Kann die Freiheit der anderen Werte gefährden
Die Gerechtigkeit brüderlich auszugestalten
Droht durch maßlose Freiheit utopisch zu werden ... 

 
Das Europa der Werte - wo könnt' ich es finden?
Dort, wo einer dem ander'n ein Schulmeister ist?
Wo Vertrauen und Zuversicht immer mehr schwinden
Weil man jegliche Werte in Euro bemißt?
 
Im Europa der Kälte, der Strenge, der Härte
Lenkt der Reichtum auch heute - wie früher - den Staat
Gilt die Freiheit des Marktes als höchster der Werte
Bleibt die Gleichheit ein ewiges - Postulat
 
 
PS:
 
Die Gemeinschaft der Freien, der Brüder, der Gleichen ...
Ein phantastisches Wunschbild? Verträumte Fiktion?
Vielleicht läßt sie sich irgendwie doch noch erreichen -
Aber niemals mit dieser EU-Kommission [:-)]
 
Wenn wir alle uns mehr als Gemeinschaft verstehen
(Nur: Wie zähmt man die Gier nach dem größten Gewinn?)
Wenn wir lernen, im Andren den Bruder zu sehen
Gibt der Wohlstand für alle! der Wirtschaft den Sinn
 
Dieses neue Europa, gerecht und sozial
Gilt es heut' schon für morgen als Ziel zu benennen
Stünd' ein solches Europa tatsächlich zur Wahl
Könnt' selbst ich mich zu diesem Europa bekennen
 
                                                Klaus Burghardt