Donnerstag, 16. Juli 2015



Vorschau 7.8. 2015:  Sufismus und seine Bedeutung für die Gegenwart                                                                Christian Brehmer

Allen Menschen ist die Suche nach ihrem Ursprung eingeschrieben. Die bewusste Suche wird auch als Mystik (griech. myein = die Augen schließen) bezeichnet. Der Weg führt nach innen. Er hat in unterschiedlichen geographischen Regionen der Erde unterschiedliche Ausprägungen angenommen. Im nahen Osten ist es der Sufismus, der bereits vor Mohammed existierte und durch den Islam einen neuen Auftrieb bekommen hat. Die Gottessucher kleideten sich in grobwollem Stoff, arabisch suf, daher der Name. Vertreter eines „universellen Sufismus“ sehen eine Beziehung zwischen dem Begriff der Sophia (griech. Weisheit) und der Bezeichnung Sufi.   
Während der orthodoxe Islam mehr eine Gesetzesreligion ist, ist der Sufismus eine Herzensreligion. Es geht um die Beziehung zwischen  dem Liebenden (Sufi) und dem Geliebten (Gott). Ziel ist die Rückbindung an Gott, was eigentlich das ursprüngliche Anliegen aller Religionen (lat. re-ligare = Rückbindung) ist. Das Gesetz und der Glaube sind zwar der Ausgangspunkt,  doch darüber hinaus strebt der Sufi nach Gotteserfahrung. Dabei hilft ihm die Loslösung vom Verhaftetsein an die Sinne und an das Ego. Das Ego muss „sterben“ damit das Selbst sich mit dem göttlichen Prinzip vereinen kann (unio mystica).
Ein wesentliches Werkzeug auf dem Wege der Befreiung ist für den Sufi das „Dhikr“ = Gedenken (an Gott): Durch das liebe- und hingebungsvolle Wiederholen von Gottes Namen  und sich Versenken in Gott -  meist in der Gruppe -  strebt der Sufi danach sich mit Gott zu vereinen.   Eine befreiende Kraft kommt ihm dabei entgegen. Diese Wiederholung stellt sich dann mit der Zeit auch im Alltag ein als ein sanfter Hintergrund der inneren Orientierung, der stillen Freude und der Geborgenheit. Mithin erfolgt die „Erlösung“ schon im gegenwärtigen Leben und nicht erst nach dem Tode. Der Sufi wirkt tatkräftig in der Welt, ist jedoch nicht von der Welt.

 „Sufismus ist Ruhm im Elend, Reichtum in der Armut, Herrschaft in Dienstbarkeit, Sättigung im Hunger, Leben im Tode und Süße in der Bitterkeit … Der Sufi ist der, der mit allem zufrieden ist, was Gott tut, so dass Gott mit allem zufrieden ist, was er tut.“
Dieses Zitat von Abu Sa’id verweist auf die innere Erfüllung des Sufi und dem daraus erwachsenden Gleichmut. Das steht im krassen Gegensatz zur nie endenden Suche nach äußerer Erfüllung, wie sie unsere Konsumgesellschaft kennzeichnet und wie sie in die Umweltzerstörung einmündet.

„Jenseits aller Vorstellungen über richtig und falsch ist ein Feld.  Ich treffe Dich dort“.
Diese Aussage des persischen Sufi-Dichters Rumi verweist auf die Lösung der nie endenden Kontroverse im demokratischen Prozess und dem Streit unter Individuen,  Parteien,  Nationen und  Religionen. Jenseits aller Meinungsverschiedenheiten ist ein Bewusstseinsfeld der Wahrheit (der Sophia). Durch Beruhigung des Geistes (z.B. durch Meditation) wird dieses Bewusstseinsfeld zugänglich.