Nachlese 6.6.2014 Christian Brehmer
Traditionsgemäß erfolgte der Einstieg unserer gutbesetzten Runde
mit einer Entspannungsreise in die STILLE. Für die Tiefenphilosophie ist
die Erfahrung der transzendentalen Stille die Erfahrung der SOPHIA, der weiblichen
Variante des LOGOS, aus der die ganze Schöpfung hervorgegangen ist. Die
Erfahrung – wenn wir uns dafür öffnen – ist das eine. Die denkerische
Durchdringung der Schöpfung in ihrer Vielfalt und Komplexität ist das
andere. Sie müsste, in der letzten Konsequenz, in die SOPHIA einmünden.
So wäre eine Tiefenphilosophie, die Erfahrung und Denken einbezieht,
eine Variante der Re – ligio, der Rückbindung an den Ursprung.
Im gängigen Verständnis sind Religionen sinn-
orientierungsstiftende Überzeugungen. Das Thema unserer letzten Runde
hieß „Religionen – ihre hellen und dunklen Seiten“. Jürgen Staas
vermittelte den Einstieg in die Diskussion mit seiner kompakten Vorschau
(s. Blog ) und mit seinen scharfsinnigen Kommentaren: Skeptiker regen
zu kritischem Denken an und sie bekämpfen sich nicht, weil es, ihrer
Meinung nach, keine absolute Wahrheit gibt. „Es ist nicht der Zweifel,
der die Menschen verrückt macht, sondern die Gewissheit“, so Nietzsche.
Die „vermeintliche“ Gewissheit müsste man ergänzen. Denn eine
authentische Gewissheit, wie sie z.B. Meister Eckhart verkörpert hat,
ist ein Segen für die Menschheit. Das ging klar aus unseren Treffen vom
4.4. und 2.5. hervor.
Die vermeintliche Gewissheit kann zu Fanatismus bis hin zur
Gewaltbereitschaft führen. Das gab es im christlichen Mittelalter, das
gibt es heute bei
islamistischen „Gotteskriegern“. Unser Referent unterschied zwischen
aufgeklärter und unaufgeklärter Religion. Jedoch: Das aufgeklärte
Christentum vertritt atomare Aufrüstung als abschreckendes Übel. Ein
ehemaliger Pastor, z.Zt. Bundespräsident, plädiert für gewaltsame Friedenssicherung, falls erforderlich. „Liebet Eure Feinde“, heißt es jedoch in der Bibel.
Offensichtlich greift auch die aufgeklärte Religion zu kurz. Denn
mit ihr ist die Essenz der Religion, die Mystik, verloren gegangen. Sie
ist der gemeinsame Grund aller Religionen, und nur von hier aus kann
man seine Feinde wirklich lieben. Ein Teilnehmer sah in der Natur, in
der Schönheit der Schöpfung an der wir alle Anteil haben das Gemeinsame,
das alle Menschen eint und plädierte für ein Denken aus dem
Ursprünglichen.
Der Ansatz von einem neuen Denken wurde auch vermisst, so hörten
wir, bei Besuchen in Bielefelder Fachbuchläden, politisch oder
esoterisch ausgerichtet. Vor Jahren wie heute die gleiche Literatur nur
in anderer Aufmachung: „Die Denksysteme
rotieren in sich selbst“. Zurück zur Einfachheit lautete das Fazit.
Nur, wie sieht sie aus, diese Einfachheit, die das wirklich Neue in
sich trägt???
Wir hörten von einem Beispiel des Abgebens an die Einfachheit in
einer Notlage: Nach dem Kauf eines Anwesens sah es bedrohlich aus.
Nachdem alle Ressourcen ausgereizt waren, konnte man nichts anderes als
Loslassen und Abgeben, Abgeben an eine höhere Instanz. Und siehe da, es
taten sich unerwartete Lösungen auf.
Abgeben, aller Gedanken ledig werden, eintreten in die Abgeschiedenheit, in die Einfachheit – das erinnert an Meister Eckhart.