Donnerstag, 21. November 2013



Nachtrag von Dieter Pentzek zum Referat vom 4.10.13

Noch einmal zu Kunst als Weg

        Dass Kunst nicht nur ein Weg für Künstler ist, wird besonders an der Arbeit von Joseph Beuys deutlich. Er nannte sie  Soziale Plastik  oder – wie in seinem Vortrag 1977 zur documenta 6 in Kassel – auch  Eintritt in ein Lebewesen.
        Damit meinte er das Lebende auf der Erde insgesamt, in das wir Menschen ganz  b e w u s s t  eintreten sollten. Nach Beuys verlangt dieses Bewusstsein in unserer Zeit aber eine  Erneuerung des Denkens. Er stellte fest, dass unser gegenwärtiges Denken ein „unerbittlicher Rationalismus“ ist, ein Denken zugunsten von Wissenschaft, Geld und Eigentum – und das zuungunsten der Natur.
        Gegen diese Situation, die immer wieder auch zuungunsten für uns Menschen ausgeht, gab er bereits 1965 in der Galerie Schmela in Düsseldorf das ästhetische Gleichnis  wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt.  Das zu bedauernde Tot-Sein des Hasen stand – wie Beuys später kommentierte – für den Tod eines Denkens, das ursprünglich nicht nur Gegenständliches, sondern auch eine  mystische  Erlebnissphäre umkreiste.
        Deshalb sprach Beuys dem Hasen mit einer Maske aus Honig und Gold ins Ohr – also mit Naturdingen, die früher eine rituelle Bedeutung für das Leben hatten. Das hieße für einen durch Kunst inspirierten  Weg,  unser Leben nicht weiter aus der Kälte einer Gelddruckmaschine zu bestimmen, sondern aus der „Wärme“ einer Bewunderung des Lebewesens Erde, weil – wie Beuys sagt – auch „Liebeskräfte in uns leben“.
        Dass ein Denken wie die Bilder der Kunst zu einem Allgemeingut wird, war die Hoffnung von Beuys. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, sagte er. Die Erfüllung seiner Hoffnung wäre wirklich unsere Renaissance – der „Eintritt“ in eine neue, glücklichere Phase der Selbsterkenntnis und eines menschenwürdigen Handelns.
                                                                                       Melle, 5.11.2013

Nachlese 1.11. 2013                                                  Christian Brehmer

Was ist ein Mythos? Dieser Frage sind wir zu Allerheiligen nachgegangen. Den Rahmen dazu hat uns das Impulsreferat von Jürgen Staas gegeben (s. Vorschau vom 20.10.)  Dabei hat uns das Paper, das wir ausgehändigt bekommen haben, einen knappen Abriss des Buches von Karen Armstrong vermittelt: „Eine kurze Geschichte des Mythos“ (dtv 2007) Dieses Paper können wir uns auch nachreichen lassen oder kopieren.
Da heißt es auf die Frage: Was ist ein Mythos?     
„Menschen schufen Mythen als Erzählungen, als Deutungen der Welt, als eine frühe Form der Psychologie. Das Bewusstsein der Sterblichkeit erzeugt Angst vor Auslöschung. Opferritus und Grabbeigaben deuten auf eine jenseitige Welt. Der Mythos gibt Orientierung und Sinn. Er ist beständig und wenig wandelbar.“

Das greift natürlich etwas zu kurz. Den mythischen Vorstellungen liegen nach C.G. Jung Archetypen, Urbilder des kollektiven Unbewussten zugrunde. Letztere sind Strukturprinzipien der Menschheit, so wie Naturgesetze Strukturprinzipien der Materie sind. Sie werden von Menschen, von den „Sehern“ in  einem erweiterten Bewusstseinszustand als solche wahrgenommen.  Und es sind diese Strukturprinzipien, die  den Mythos „beständig und wenig wandelbar“ machen.  Sie wirken als  kreative Impulse und werden oft in Göttern personifiziert. Um diese rankt sich dann volkstümlich ein sagenhaftes Geschehen, die Mythen… 

Genauso wie das Gottesbild (vgl. GOTT 9.0) im Verlauf der Geschichte sich geändert hat, so hat sich auch die Rezeption des Mythos gewandelt. Das sagenhafte Geschehen tritt zurück, die Wirkkraft bleibt aber trotz „Entmythologisierung“. So erfährt  z.B. der Schamanismus gegenwärtig eine Renaissance in der modernen Tiefenökologie.

Vorschau  6.12. 2013                                                  Christian Brehmer

Diesmal, darauf hatten wir uns geeinigt, geht es um die Mystik. Wir müssen uns zunächst fragen, was der Unterschied ist zwischen Mystik und Mythos.

Mystik hat nichts mit Mystizismus zu tun, der sich mit Wunder, Heilungen oder Visionen beschäftigt.  Mystik (griech. myein = Augen schließen) ist vielmehr ein innerer Erkenntnisweg, der letztlich in eine klare innere Evidenz einmündet. Letztere übersteigt nach Ken Wilber an Gültigkeit die sinnlich-empirische Evidenz. Gandhi hat sich an ihr orientiert, Nelson Mandela hat sich an ihr orientiert. Vorbilder für eine künftige Politik, ohne die es kein Überleben geben wird für die Menschheit und für unseren gequälten Planeten. In der Mystik konvergieren alle Religionen und Tiefenphilosophien. Es ist der Weg zur Einheit und dem Miteinander. Auch das Christentum hat außer dem feiernden und dem dienenden  Aspekt einen mystischen. Nur ist er weitgehend verschüttet und sogar unterdrückt worden. Warum wohl müssen wir uns fragen?

Fragen müssen wir uns auch, ob Menschen psychisch krank werden können,  wenn ihnen der Zugang  zu ihrem inneren Potenzial verschlossen bleibt.
Fragen müssen wir uns weiter, ob Mystik ein Weg ist zur kommenden Bewusstseinsstufe der Menschheit und ob sie ein Ausweg ist aus der gegenwärtigen Schieflage der Zivilisation.
Ferner müssen wir uns fragen, was Joseph Beuys mit der Aussage gemeint hat: „Das Mysterium spielt am Hauptbahnhof.“  (Vgl. obigen Text von Dieter)
Schließlich müssen wir uns auch fragen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen unserer Annäherung an die Sophia durch die Entspannungsreise zu Beginn unserer Philo-Sophia-Runde und der Mystik.
Leute, es wird spannend...


 
   
     
                      

Sonntag, 20. Oktober 2013



Nachlese vom 4.Okt. 2013                           Chris Brehmer

Kunst als wichtigster Weg zur menschlichen Bildung.So die Ausgangsthese von unserem Politkünstler Dieter Pentzek.
„Bildung hat ein Nachdenken des Einzelnen über sich und seine Teilnahme am sozialen Leben zur Folge“, so Dieters Definition einer gelungenen Bildung. Wenn das nur der Konsens wäre in unserem Kultusministerium, an Schulen und Hochschulen! Allenthalten dominiert die Ausbildung im Dienste von Wirtschaft und Konsum. „Das Nachdenken des Einzelnen“ bleibt auf der Strecke. In der Hektik des Alltags kommt die Reflexion und Selbstreflexion zu kurz. Und die reine Reflexion, die STILLE, die Sophia für welche die Tiefenphilosophen stehen, ist für viele noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aus der STILLE entspringt eine Kunst die wahrhaft  bildungswirksam ist. So sagte z.B. Caspar David Friedrich:
    „Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst                    siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“

Doch hören wir Dieter selbst:
Kunst als Weg –
war das Thema, das ich vorgeschlagen hatte, weil mir Kunst seit der Kindheit wichtig ist. Schon in der ersten Nachkriegszeit hatte ich das Gefühl, dass nur die Kunst über das Menschsein froh macht. Und so bezeichne ich heute das Erleben von Musik, Malerei, Dichtung und weiterer Kunstgattungen als
wichtigsten Weg zu menschlicher Bildung.

        Ja, bestätigte ein Teilnehmer der Runde. Das habe schon Rudolf Steiner gesagt, der die Waldorfschule gründete. Und so kamen wir nach der Frage der Bildung, die ein Nachdenken des Einzelnen über sich und seine Teilnahme am sozialen Leben zur Folge hat, in unserem Diskurs zum 
Weg menschenwürdigen Handelns.

        Für die Rolle, welche die Kunst in Bildung und Handeln weiterhin spielt -  so brachte ich ein - steht u. a. die Aktion  Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt. Darin bewegte sich Joseph Beuys, dem toten Hasen auf seinem Arm ins Ohr sprechend, durch die Ausstellungshallen der Documenta.
        Einen weiteren Teilnehmer an der Runde schien das aber abzustoßen. Aktionen provozieren nur, meinte er. In der Kunst, wo es um das Schöne gehe, käme es auf meisterhafte Techniken an, aus denen Aktionen wohl kaum bestünden.  
        Schönheit liegt, wie man sagt, im Auge des Betrachters, entgegnete ein anderer. Rückantwort: Was ist daran schön, wenn man einer Hasenleiche ins Ohr redet?
        Etwas schon, gab ein weiterer Gesprächspartner zu bedenken. Das Liebevolle, was sich darin ausdrücke, das sei etwas menschlich Schönes. Es habe etwas Hoffnungsvolles – die Aussicht, den Hasen vielleicht in seinem Jenseits zu erreichen. Er schlug vor, durch Meditation selbst ins Jenseitige zu blicken.
        Darauf sagte ich, dass wir, Roswitha und ich, auf der Documenta oft meditativ einen abgestorbenen Beuys-Baum begossen und in den Gesichtern der jungen Schüler, welche mit ihren Lehrern die Großausstellung besuchten, ein frohes Erstaunen sahen – so als wäre  i n  i h n e n  der Baum zu neuem Leben erwacht.  

Melle, 10.10.2013                             
Dieter Pentzek

 Vorschau 1.11. 2013

Uns erwartet ein Impuls – Referat von Jürgen Staas über „Eine kurze Geschichte des Mythos“ nach Karen Armstrong, Oxforder Religionswissenschaftlerin.
         Die Autorin beschreibt die Geschichte des Mythos von den Anfängen der Steinzeit mit den Vorstellungen der Jäger und Schamanen bis zu den weltanschaulichen Umwälzungen der Neuzeit und schließlich der Moderne mit ihrer Diskreditierung durch die Naturwissenschaften. Die Geschichte des Mythos ist zugleich eine Ideen- und Kulturgeschichte der Menschheit. Nach Armstrong ist der Mythos eine frühe Form der Psychologie und der Versuch, die Welt zu verstehen.

Jean Gebser gemäß hat die Menschheit im Verlauf der Evolution vier Bewusstseinstufen durchschritten: die archaische, die magische, die mythische und die mentale Ebene. Gegenwärtig befinden wir uns im Übergang zur kommenden integralen Bewusstseinsstufe.  

Donnerstag, 3. Oktober 2013



Nachlese 6. Sept. 2013                                              Christian Brehmer

Es kam wieder einmal ganz anders als geplant. Wollten wir doch über Unterschied zwischen östlichen und westlichen Ansatz auf der Suche nach Erkenntnis sprechen. Aber es lag wohl etwas anderes in der Luft. Und da heißt es abwägen. Soll man das Thema aufgreifen oder an dem anknüpfen, was  spontan unter den Anwesenden läuft. Wir hatten uns für das letztere entschieden, und es ergab sich ein lebendiger Austausch. Such is life!
Es ging um die Suche nach der Einheit in der Vielheit der Sichtweisen. Denn die unterschiedlichen Sichtweisen, wenn sie zu Überzeugungen verhärtet werden, sind ja der Sand im Getriebe zwischenmenschlicher Beziehungen. Ob das in der Familie ist, am Arbeitsplatz oder auf politischer Ebene. Wir spüren das gegenwärtig besonders deutlich vor den Wahlen am 22.9. Die Suche nach den optimalen Strukturen gesellschaftlichen Zusammenlebens ist unerlässlich und bedarf der Anerkennung. Nur Verhärtungen und Scheuklappen sind kontraproduktiv. Schließlich gibt es nur eine optimale Vorgehensweise, um deren Annäherung alle bemüht sind. Der demokratische Prozess soll dabei helfen. Doch da ist der Sand im Getriebe. Und der sollte hinterfragt werden.
Die Kultur des Hinterfragens und der Reflexion kommt bei uns in der Flut der Information und in der Hektik des Aktionismus zu kurz. Denn in der Reflexion, vor allem wenn sie in die reine  Reflexion einmündet, in die gedankliche Stille, in die Sophia,  kommt es zu einer Annäherung an die Wahrheit und damit zu einer Optimierung der Vorgehensweise. Das gilt für den politischen Prozess, das gilt für mich ganz persönlich bei meinen Entscheidungen im Alltag. Solange ich noch im Getriebe der Gedanken bin, auch wenn der Verstand sie logisch führt, bin ich nicht in der Ganzheit, die sich nur in der Stille auftut. Der Verstand denkt linear, die Wirklichkeit aber ist ein System. Deswegen versuchen wir  zu Beginn unserer Philrunde uns kurz der Stille zu nähern. Und wenn wir eine solche praktische Übung im Alltag übernehmen wollen, bedarf es der Motivation, der Geduld und der Bereitschaft ggf. auch innere Schatten anzuschauen.
In unserer Runde kam es zum Einwand, dass das Stillsitzen und zur Ruhe bringen der Gedanken, also die Meditation, nicht jedermanns Sache ist. Seit eh je gibt es dem Naturel der Menschen entsprechende Wege: Den Weg des (selbstlosen) Handels, den Weg der Hingabe an die höhere Intelligenz, den Weg der (genuinen) philosophischen Reflexion und den Weg der Meditation.
    
Martin Buber: „Gott sagt nicht, das ist ein Weg zu mir und das ist nicht ein      Weg zu mir, sondern alles ist ein Weg zu mir, wenn du es nur zu einem Weg zu mir machst.“

Vorausschau 4.10.2013

Wir wollen  die These von Dieter Pentzek, politisch engagierter Künstler, aufgreifen: „Kunst ist die wichtigste Bildung“. Er hat uns bereits ein ergreifendes Paper ausgehändigt, das die Handschrift seines Erlebens nach dem 2. Weltkrieg trägt. Reich an Anregungen für ein profundes Gespräch!
Nach Goethe werden die höchsten Kunstwerke zugleich als höchste Naturwerke vom schöpferischen Menschen geschaffen. Mithin müssten sie aus der gleichen Quelle kommen…    
        

Dienstag, 27. August 2013

Philosophischer Spätsommer  2013                                                    C.Brehmer

Nach diesem herrlichen Sonnen-Sommer freuen wir uns auf unsere gemeinsames Gespräch in der Philosophen-Runde am 6. September. Viele von uns habe schöne Ferien gehabt. Der Schreiber dieser Zeilen war in Indien und hat sein Traum-Projekt besucht, die "Universal Education School" (www.aliceproject.org) in Sarnath bei Varanasi. Dort wird in das staatlich vorgegebene Curriculum Yoga und Meditation integriert, also eine ganzheitliche Erziehung angestrebt.
An unseren Schulen wird die seelische Dimension vernachlässigt, die Dimension, die sich jenseits aller mentalen Vorgänge erschließt. Es ist die Sophia, wie wir sie  in der Stille-Übung jeweils zu Beginn unserer Philrunde versuchen in Erfahrung zu bringen. (Am 1. September werde ich Rahmen eines Dia-Vortrages über das Alice-Project berichten: www.yoga-vidya.de/melle)
   Hier wird die Begegnung westlicher und östlicher Philosophie - unser letztes Thema - konkret. Der staatlich vorgegebene Lehrplan spricht die Rationalität an, Yoga und Meditation legen die intuitive Intelligenz frei, jenseits der Rationalität. Und es klappt, wie Leistungs- und Verhaltenstests belegen. 
   Am 6. September wollen wir unser Gespräch vom letzten Mal fortsetzen. Auf der Suche nach Wahrheit und der richtigen Lebensführung, können wir viel von östlicher Philosophie lernen und evtl. durch Yoga und Meditation verwirklichen. Von der Quintessenz indischer Philosophie, den Upanischaden, sagt der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer: "Es ist die belohnendste und erhebendste Lektüre, die in der Welt möglich ist. Sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein."  

  Hier eine Gegenüberstellung westlicher und östlicher Schwerpunkte in Anlehnung an Bernd Gundermann:
Westliche Wissenschaftskultur     vs.    Östliche spirituelle Kultur
Werden                                          Sein

Fortschritt                                      Transformation, Erleuchtung

Zukunftsorientierung                     Gegenwartsorientierung (im
                                                       Ewigen)
Außenorientierung, Weltlichkeit    Innenorientierung am Selbst
Diversität, Kompliziertheit             Zentriertheit, Einfachheit
Rastlosigkeit                                   Ruhe
Leistung                                          Gelassenheit
Konkurrenz                                     Mitgefühl
Wünsche                                         Verzicht, Zufriedenheit
Technische Apparate als Wahr-      Entwicklung der Wahrungs- nehmungs- u. Handlungshilfen        u. Handlungsorgane durch     (Fernrohr, Mikroskop, Detektor)     Meditationstechniken 
Ziel:                                                  Ziel:  
Lebensgenuss, Steigerung von         Befreiung von Begehrlichkeiten
Macht, Ansehen, Besitz etc.             u. vom Kreislauf der Wieder-
langes, komfortables Leben.             geburten, "Einswerden" mit 
                                                          dem Absoluten.

                Synthese: Integrale Philosophie und Praxis

Freitag, 21. Juni 2013




Nachlese 7. Juni 2013                                                              Christian Brehmer
Indische Philosophie

Es war eine echt sommerliche Runde auf dem Balkon der Naturheilpraxis, passend zu den Temperaturen Indiens. Mit dem Thema „Indische Philosophie“ hatten wir uns auf einen Kontrast zur Politphilosophie von Hannah Arendt geeinigt. Hier die zeitlose Weisheit Indiens, dort das Nachdenken über gesellschaftliches Zusammenleben. Letzteres könnte durchaus von ersterem profitieren. Denn was nützt alles Reflektieren, wenn es nicht von einer naturgegeben Quelle höherer Intelligenz inspiriert wird. Und genau das ist die Verheißung indischer Philosophie – siehe nachfolgendes Skript zum Impulsreferat von Peter Bayreuther.
   Die indische Philosophie ist in den Veden niedergelegt. Diese Bücher sind nach traditioneller Auffassung nicht von Menschen verfasst, sondern wurden von einer höheren Intelligenz den „Rishis“, den Sehern, offenbart. Uns begegnet hier ein „absolutes Wissen“, mitunter verschlüsselt formuliert und nur einem höheren Bewusstsein zugänglich. Die Quintessenz der Veden ist jedoch leicht verständlich in der Bhagavad Gita, dem „Gesang Gottes“ übermittelt. Wilhelm von Humboldt bezeichnete sie, um es zu wiederholen, „als das schönste, ja vielleicht das einzige wahrhaft philosophische Gedicht der Weltliteratur.“  
    Und die Bhagavad Gita war das Thema unseres Referenten. Sein Skript ist eine Auswahl einiger zentraler Aussagen. Kein Wunder, dass es zu Diskussionen innerhalb unserer Gruppe kam. Grundstufliches Wissen, gewonnen durch Naturwissenschaft und Reflexion,  reibt sich an metastuflich offenbartem Wissen. Letzteres bleibt uns verschlossen, solange wir nicht bereit sind uns der Sophia zu öffnen. Einen Versuch machen wir jeweils zu Beginn unserer Runde mit der Stilleübung. Denn wir verstehen uns ja als Philosophen, als Freunde der Sophia. Dem integralen Philosophen ist beides ist wichtig, Reflexion und Intuition.


 
Impulsreferat Yogaphilosophie  7. Juni 2013                           Peter Bayreuther

Yoga bedeutet Einheit mit der Seele und Gott: es wird in der vedischen Philosphie davon ausgegangen, dass es eine höhere Intelligenz  des Herzens gibt, die über dem weltlichen Intellekt und den Gedanken, dem äußeren Ich (Ego) und den Sinneswerkzeugen steht. Es geht also darum, mit dieser höheren Intelligenz eins zu werden und so unser Leben zum Guten und zur Selbstverwirklichung zu steuern. (Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt, Krankheit, Alter und Tod).

Die Bhagavad Gita

Der „Göttliche Gesang“ ist das zentrale Werk der Yogatraditon und der vedischen  Philosphie.
Es ist ein Gespräch zwischen Gott (Krishna) und Mensch (Arjuna), welches etwa vor 5000 Jahren stattgefunden hat vor der Schlacht von Kurukshetra verfasst von dem Weisen Vyasa.
Die Themen sind:
Wer bin ich? (aham brahmasmi: ich bin die Seele),
Hatha-Yoga (Atemübungen und Körperhaltungen),
Karma-Yoga (Handeln mit guter Absicht),
Jnana-Yoga (Philosophisches Forschen),
Bhakti-Yoga (Liebe zu Gott).

Die drei Gunas  (Eigenschaften der materiellen Natur)
Tamas     Dunkelheit, Unwissenheit
Rajas       Leidenschaft
Sattwa      Güte, Reinheit

Die drei Seinsweisen Gottes:
Brahman:  allgemeine alles durchdringende göttliche Energie
Paramatman. Die höchste Seele im Herzen eines jeden Lebewesens
Bhagavan:  Gott als höchste Persönlichkeit

2 Verse aus der Bhagavad Gita vom Anfang und Ende:
1.46
evam uktvarjunah sankhye rathopastha upavisat
visriya sa-saram capam soka-samvigna-manasah
Nachdem Arjuna auf dem Schlachtfeld diese Worte gesprochen hatte
warf er seinen Bogen und seine Pfeile auf den Boden und setzte sich, von Schmerz überwältigt, auf dem Streitwagen hin.
18.65
man-mana bhava mad-bhakto mad-yaji mam namaskuru
mam evaisyasi satyam te  pratijane priyo `si me
Denke immer an Mich, werde Mein Geweihter, verehre Mich
und bringe mir deine Ehrerbietungen dar.
Auf diese Weise wirst du mit Sicherheit zu Mir kommen.
Ich verspreche dir dies, weil du mein inniger Freund bist

Lit.: „Bhagavad Gita Wie Sie Ist“  Kommentar und Übersetzung von  Shrila Prabhupada
„Die Yogaweisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute“ von Sukadev Bretz
„Shrimad Bhagavad Gita“  Kommentar von Swami Sivananda
 



Vorschau 2.8.2013                                                                        Christian Brehmer   
Orient und Okzident

Im Juli machen die Philosophen eine Sommerpause. Vielleicht gelingt es dem/der  einen oder anderen in die Gelassenheit eines Diogenes zu kommen. Der antike griechische Philosoph lebte selbstgenügsam und glücklich in einer Tonne. Als Alexander der Große ihn voller Bewunderung aufsuchte und ihm anbot, einen Wunsch zu erfüllen, sagte Diogenes lediglich: „Er möge mir aus der Sonne gehen.“
   Unser letztes Gespräch, ausgelöst von der Bhagavad Gita, war längst nicht zum Abschluss gekommen. Und da ist noch vieles ungeklärt, besonders hinsichtlich des unterschiedlichen Wissenszugangs von West und Ost. Da ist der reflektierende abendländische Philosoph, da ist der meditierende orientalische Pandit. Zwei Welten stehen sich gegenüber und doch gibt es nur eine Wahrheit. Und beiden ist noch eine andere Welt vorausgegangen, die Welt des Mythos.
    Wir wollen beim nächsten Mal versuchen, uns der Welt des Orients ein wenig anzunähern, so wie sie von Mahatma Gandhi vorgelebt wurde, der Verkörperung der Bhagavad Gita. Schon Goethe besingt orientalische Weisheit im  „West-östlichen Divan“:
                                                 Wer sich selbst und andere kennt,
                                                 Wird auch hier erkennen:
                                                 Orient und Okzident
                                                 Sind nicht mehr zu trennen.


Freitag, 17. Mai 2013

 
Beitrag zur Diskussion am 3.5. 2013 von Angela Muselmann-Bruhn
 (Nachlese 3.5. 2013 s. weiter unten)
 
 Freud an seine Vertraute Lou Andreas-Salome :
“ Hier ist meine geheime Schlussfolgerung : Da wir unsere gegenwärtige Zivilisation -die von allen am meisten entwickelte- nur als eine gigantische Heuchlerei betrachten können, muss daraus folgen, dass wir im Grunde nicht für sie geschaffen sind. Wir werden abdanken müssen, und der große Unbekannte oder der große Manitu, der hinter dem Schicksal steht, wird dieses Experiment mit einer anderen Rasse wiederholen.“

So pessimistisch möchte ich das nicht sehen, dem Menschen möglich, ist etwas anderes, wenn wir nicht mehr versuchen, Seiten unseres Menschseins zu verdrängen und den Menschen an die Gesellschaft an zu passen, sondern lernen wieder unseren Gefühlen Ausdruck zu geben, lernen selbst gut für unsere Bedürfnisse zu sorgen und dann aus dieser Authentizität heraus, wird es auch möglich werden, im Sinne von Hannah Arendt ins politische Handeln zu kommen.
Diese erforderliche emotionale Reife, trotz Demokratie seit 1945, scheint mir jedoch auch 2013 noch nicht zahlenmässig in unserer Gesellschaft ausreichend zu sein, wie die vielen psychosomatischen Krankheiten und das politische Desinteresse zeigen.
Der Mensch ist mit sich selbst beschäftigt, mit der von ihm geforderten Anpassungsleistung und dem Versuch, sein daraus resultierendes Mangelgefühl, auf Umwegen zu befriedigen.
Es stellt sich die Frage, wie Persönlichkeitsbildung aussehen sollte, um Menschen zum verantwortlichen politischen Handeln zu befähigen.
Kinder zum selbstbewussten Kämpfen für ihre eigenen Interessen zu erziehen, erscheint mir nicht der sinnvolle Weg zu sein ( würde dies als Erziehung zum Ich-Bewusstsein bezeichnen wollen, da für mich, zum wahren Selbst-bewusstsein, immer der Einschluss, Ich als Teil des Ganzen, das Wohl aller mit in die Entscheidungen einschließt).
Die Schule muss sich der emotionalen Alphabetisierung annehmen,
wenn sie nicht Untertanen, brave Konsumenten oder narzisstisch Erfolgreiche mit Kapital und Macht produzieren möchte,
sondern mündige und politisch verantwortlich handelnde Weltbürger.
Damit meine ich, Erziehung zu mehr  Autonomie,
durch gezielte Sinneswahrnehmungsschulung des eigenen Körpers und des bewertungsfreien Beobachtens,
erlernen der bewussten  Affektregulation und Selbstmotivation
und üben von Kooperation und Konfliktlösung,
damit endlich fürs Leben und nicht nur für die Schule gelernt wird.
Inhalte sind das Spielzeug, mit dem immer neu, diese Kompetenzen geübt werden können.
Da Kinder durch Erfahrung lernen, so lernen Kinder am besten Respekt, wenn sie selbst respektvoll behandelt wurden,
wenn sie in ihrer Ganzheit angenommen werden, mit ihrer Angst, Freude, Neugier und Zorn
und sie begleitet werden, damit umgehen zu lernen, statt so zu tun, als dürfen diese natürlichsten Gefühle gar nicht sein und könnten an der Gardarobe abgegeben werden.
Wieviel Energie wird wohl freigesetzt werden,
wenn der Kampf gegen die eigene Natur nicht mehr notwendig ist
und nach außen gerichtet, in Kreativität und Mitverantwortung umgesetzt werden könnte?
Begrüßen wir die neuen Weltbürger mit „ Willkommen, Du darfst Du sein,  lehre du uns, wieder besser unsere natürlichen Bedürfnisse zu erkennen, denn hier läuft einiges schief, hier gibt es viel zu verändern, beschenke uns mit deinen Ideen und Fähigkeiten, wir brauchen Dich, damit wir alle gesund und verbunden miteinander leben lernen.“


Vorschau 7.6. 2013: Vedische Philosophie (Peter Bayreuther, Christian Brehmer) 


Aus der umfangreichen vedischen Philosophie hat im Westen vor allem das System des Yoga Eingang gefunden. Es beinhaltet nicht nur Theorie, sondern schwerpunktmäßig Praxis und Erfahrung. 11 Millionen Bundesbürger praktizieren Yoga.  
Yoga bedeutet Einheit mit der Seele und damit mit Gott. Es wird in der vedischen Philosophie davon ausgegangen, dass es eine höhere Intelligenz (Buddhi) der intuitiven Unterscheidungskraft gibt, die über dem weltlichen Intellekt und den Gedanken, dem äußeren Ich (Ego) und den Sinneswerkzeugen steht. Es geht darum, sich mit dieser höheren Intelligenz durch Yoga zu verbinden, gültiges Wissen (Vidya) zu erwerben und so unser Leben zum Guten und zur Selbstverwirklichung zu steuern und der Umwelt zu dienen.
Eine populäre Einführung in die  vedische Philosophie und das Hintergrundwissen des Yoga vermittelt die Bhagavad Gita, der „Göttliche Gesang“. Wilhelm von Humboldt nannte es „das schönste, ja vielleicht das einzige wahrhaft philosophische Gedicht der Weltliteratur“.
 


Nachlese 3.5. 2013
Hannah Arendt                                                                       Text: Christian Brehmer

Ja, unsere letzte Runde war eine runde Sache. Zwar ist der Tisch an dem wir sitzen rechteckig,  aber es ging rund wie immer. Nach unserer philosophischen Tiefenexkursion mit Hinführung zur Sophia und anschließender  Sharing-Runde ging es zur Sache. Und die Sache hieß diesmal Hannah Arendt. Wir hatten ein feuriges Impuls-Referat von der Kunsthistorikerin Roswitha Pentzeck, von der man geradezu eine Seelenverwandtschaft zu der großen („orangenen“) Polit-Philosophin spürte. Aus dem von  ihr verfassten Paper gingen zwei Thesen hervor, die hier wiederholt und kurz kommentiert werden sollen.
These 1: Nicht das Sein des Menschen im Singular, sondern das Handeln der Menschen im Plural stellt Hannah Arendt in den Mittelpunkt! Den Philosophen der Vergangenheit – einschließlich Aristoteles (zoon politikon) bis hin zu Nietzsche und Marx – attestiert sie mangelnden Tiefgang des Denkens. Lediglich bei Platon sah sie ihr Ideal der Politik am ehesten verwirklicht.
Kommentar: Das Sein des Menschen wird hier existenziell gesehen, nicht ontologisch, d.h. der Möglichkeit nach im SEIN, der Sophia gründend. Hier liegt das ganze Dilemma der Flachland-Philosophie. Denn ohne Bezug zur Sophia hat alles Denken und Handeln des Menschen im Singular oder im Plural nur den Intellekt als Orientierung. (Hier könnte man Arendt mangelnden Tiefgang vorwerfen.)
These 2: Handeln vollzieht sich in einem öffentlichen Raum, in dem eine Pluralität von Menschen frei miteinander verkehrt und in Rede und Gegenrede um das Wohl ihrer Gemeinschaft besorgt und bemüht sind. Es ist nach Arendt die höchste und wichtigste Form menschlicher Tätigkeit.
Kommentar: Wenn der Bezug zur Sophia fehlt, ist Rede und Gegenrede zur Wahrheitsfindung im demokratischen Prozess durchaus wertvoll. Seine Grenzen werden uns aber in der zerstrittenen Politik und der chaotischen Verwaltung unseres Planeten vor Augen geführt. Eine Vita Aktiva, die nicht in einer Vita Contemplativa gründet, hat keine gültige Orientierung und mündet in Aktivismus und Verschlimmbesserungen.           

Freitag, 19. April 2013



Nachlese vom 5.4.2013                                                       Text: Christian Brehmer

Suche nach Erkenntnis
Nach dem Gemeinschafts-stiftenden Vorspann gab es eine kurze Rückbesinnung auf das Thema unserer letzten Runde: „Hat der Mensch einen freien Willen?“ Wir wollten dann zum aktuellen Thema übergehen „Bleiben wir einen Leben lang derselbe?“ auf der Grundlage des Textes des Bremer Hirnforschers G. Roth. Aber, wie das Leben so spielt, es entwickelte sich etwas anderes.
   Zunächst hat sich das Gespräch um das Spannungsfeld Gesellschaft – Individuum  bewegt. In unserer Gesellschaft sind Leistung und Wohlstand dominierende Werte (orange Bewusstseinsstufe nach Clare Graves), und das spüren wir von Kindesbeinen an. In unseren Schulen geht es vorwiegend um die Förderung der  rationalen Intelligenz, und die intuitive Intelligenz bleibt auf der Strecke. Letztere beinhaltet auch Kritikfähigkeit, und die ist wenig gefragt. Was unsere Gesellschaft braucht, sind angepasste, leistungsbereite und konsumorientierte Bürger. Intuitive Intelligenz, Orientierung an den in der Tiefe des Bewusstseins anwesenden Werten, wer kennt das schon? –  „Treue zu sich selbst“ und „Leben aus dem Herzen“  waren Stichpunkte in unserer Diskussion. Aber auch die Relikte von magischem und mythischem Denken in unserer aufgeklärten Gesellschaft.
  Das Gespräch war bunt und lebendig. Hier stellt sich die Frage, ob wir der Diskussion freien Lauf geben sollten oder immer wieder zu unserem Thema zurückkommen sollten. Hören wir dazu Angela:
 Lass uns nicht an Ruhm und Ehre anderer Autoren hängen bleiben, wenn wir begreifen, dass es immer mehrere Wahrheiten gibt und sie immer kontextabhängig sind, also ein sowohl – als auch- Denken nötig ist, müssen wir uns vor allem in dieser Offenheit üben. Für den einen ist das Klopfen auf dem Tisch, das Jetzt und Hier dran, als seine Ausdrucksmöglichkeit, während der andere das Bedürfnis nach einem langen tiefen mmmh hat und der nächste nach absoluter Stille……Soll Kreativität und mehr Flexibilität im Geiste aus unseren Treffen hervorgehen, ist es nicht wichtig, am Ende mit der Meinung nach Hause zu gehen, ich hab Recht behalten, oder habe die Anderen überzeugt. Ergebnisoffen und gleichzeitig themenzentriert nach Plan…., lass uns den Raum dazwischen aufsuchen …und zulassen !

Ergebnisoffen und themenzentriert – einverstanden.                                                       
Mehrere Wahrheiten? Nicht einverstanden. Mehrere Meinungen, ja! Das ist das Dilemma unserer pluralistischen Gesellschaft! Aber nur eine „absolute“ Wahrheit. Und der können wir uns nähern, indem  rationale Information,  Diskussion und Erkenntnis ergänzt werden durch Reflektion, Abstraktion, Transzendenz und Integration. Aber das will geübt werden, vorausgesetzt wir sind motiviert. Oder wir verharren in unserer tristen Mittelmäßigkeit.  

Unsere Philrunde wurde diesmal durch Besuch aus Bremen abgerundet. Adam Zablocki, Philosoph aus Bremen, deutsch-polnischer Herkunft, kam eigens angereist, um an unserer Philrunde teilzunehmen. Hören wir etwas von seinem persönlichen philosophischen Ansatz und seine Eindrücken von uns:

Meine Reflexionen als Gast bei der Philrunde:
Meine Reise nach Melle war u.a. eines von meinen „Feldforschungs“- Projekten.Ich bin immer fasziniert mit Menschen zu sein, die sich nicht über die Banalitäten des Lebens austauschen möchten, sondern über das, was für sie wesentlich ist... - damit kommen sie dem Ursprung der Philosophie näher, die z.B. im antiken  Griechenland viel mehr lebensbezogen war, mit Ethik und Psychologie verschmolzen... z.B. Seneca:
„Die Philosophie lehrt handeln und nicht reden.“ Oder Plato, der die Philosophie als „Fürsorge für die Seele“ bezeichnete.
Ein paar von meinen Forschungsthemen sind:
Kollektive Autopoiese also Selbstregulationstendenzen in der Gruppe und die Erforschung und Anwendung von Prinzipien, die Kongruenz, Synergie, Kreativität, Potentialität... in der Gruppe stärken;
Vertikale Hermeneutik (V.H.) - wie sich die Bedeutungsebenen ineinander verschachteln und aufeinander aufbauen - das Subjekt interpretiert und gibt damit den Phänomenen Bedeutung und Wert, daher wendet sich die V.H. dem Geheimnis der Subjektivität zu und entdeckt, dass rationale Interpretationen nur eine dünne Schicht im menschlichen Wahrnehmungs-/Interpretations-Spektrum sind ( es kann sein, dass ein Moment für uns enormen Wert hat, was für uns aber nicht rational begründbar ist).
Die V.H. grenzt sich nicht von der herkömmlichen Hermeneutik ab, sondern integriert und erweitert diese. In ihr geht es nicht primär um Interpretationen von Texten, Kunstobjekten und Ereignissen, sondern um das, worauf die ganze Schöpfung hin-deutet - auf den höchsten Wert.
In der Gruppe habe ich vor allem auf die energetischen Phänomene geachtet; die rationalen Themen (Monismus, Dualität, Materialismus...) waren für mich nur wie ein Vorwand dem Selbst-Verständnis den Weg offen zu halten. Und obwohl der ganze Austausch in einem konventionellen Beziehungs- und Kommunikations-Raum stattfand, war es für mich sehr interessant zu erleben wie sich die ganze Gruppendynamik mit der Zeit in Richtung mehr Achtsamkeit, Leichtigkeit, Neugierde, Intimität... bewegte. Das zeugt eindeutig von der Potenzialität, die in der Gruppe besteht.
Es ist wichtig zu verstehen, dass alle unsere Aussagen über philosophische Themen, über das Leben... keine Aussagen sind über die Phänomene sondern über uns selbst. Das sind alles unsere Meinungen also Interpretationen. Unsere Interpretationen spiegeln lediglich momentane Bewusstseinszustände, also die Bewusstseinsebene, die aktuell jedem zur Verfügung steht.
Der Erfolg der Philrunde besteht nicht darin, die gleiche Meinung zu haben, sondern in einem erfolgreichen Prozess der Wahrheit näher zu kommen. Die Alten wussten immer schon: „Einheit, Dreiheit, das sind Namen, Namen aber sind Schall und Rauch.“ (Areopagita)
Wenn ich eine Position einnehme, in der ich es „besser weiß“ als die anderen, habe ich meinen Forscherstatus verloren, ich bin auf einer Ebene eingefroren... daher glaube ich, dass es äußerst wichtig ist, die Zeit der Begegnung zu nutzen, um sein eigenes Wahrnehmungs- und Interpretations-Organ zu reflektieren und zu befreien von eingefleischten Neigungen - also zu kultivieren.
In der konventionellen Welt haben wir den Zugang zu unserer Seele verloren. Sie wurde wie C.G.Jung sagt „zum Abfallhaufen für moralischen Kehricht“ reduziert. Durch Abhängigkeitsstrukturen und Angst „nicht dazuzugehören“ (Heteronomie) haben wir uns von unserer inneren Steuerung entfernt.
Um das neue post-konventionelle Kommunikations-Paradigma zu leben, ist es fundamental wichtig die eigene Kongruenz - also Übereinstimmung mit sich selbst, mit der eigenen Seele, den eigenen Gefühlen... zu praktizieren. Das Bestreben die eigene Kongruenz zu pflegen ist die Basis um Gruppen-Kongruenz zu erfahren.

Flügelschlag der Seele:
Die Philosophie ist nicht primär eine Ansammlung von Theorien, sondern die Kunst mit dem Leben umzugehen - also die Weisheit. Das Wort „Theorie“ kommt von dem griech. Begriff theoria und bedeutet Anschauung, für Aristoteles ist es „eine beglückende Wahrnehmung“. Die Buddhisten sagen, dass die Buddhas das Leben so sehen wie es ist. (theoria)
Wenn Plato „Erstaunen ... als Anfang der Philosophie“ bezeichnet, geht es hier nicht um eine Kopfgymnastik, sondern um radikal neue Betrachtung, neue Wahr-Nehmung des Lebens, ... also das Verlassen der konventionellen „Höhle“. (Höhlengleichnis)

Wie können wir Dir Leben begegnen?
Wie können wir uns im Leben, in unserem Kreise begegnen?
Je näher wir dem Menschen in uns kommen, desto mehr können wir den Menschen in anderen sehen. Da, wo sich Menschen begegnen kann ein Spannungsfeld entstehen... wenn wir die Spannung als Problem sehen, dann haben wir einfach ein Problem, wenn wir sie aber als Chance sehen, als Möglichkeit unseren eigenen Umgang mit dem Leben zu verfeinern, dann sind wir schon im Lernprozess, und darum geht's.“

Vorschau zum 3. Mai 2013: Hannah Arendt
Text: Roswitha Pentzek

„Der einzige Sinn der Politik ist Freiheit.“ Nach Hannah Arendt haben Politiker einer Demokratie die Aufgabe, „für ein Leben in Menschenwürde, Gerechtigkeit und Freiheit einzutreten“ - und zwar für alle Menschen - und auch danach zu handeln. „Macht sich der Mensch aber zum gottähnlichen Herrn des Daseins wird er kein WELT-erschaffendes sondern ein WELT-zerstörendes Wesen", heißt es bei ihr an anderer Stelle. Und unserer Politik-verdrossenen Gesellschaft hält sie vor:„jeder zum Denken befähigte Mensch hat die Pflicht, politisch zu handeln!“ „ Das Politische“, sagt Arendt in ihrem Werk Vita Activa, „gehört nicht zum Wesen des Menschen“. Vielmehr sei das Politische außerhalb des einzelnen Menschen, das dadurch entstehe, dass eine Pluralität von Menschen miteinander in Beziehung trete.

Das könnten ganz aktuelle Überlegungen sein, wenn wir nicht wüssten, dass die Politologin, Journalistin und Philosophin 1906 in Hannover geboren wurde und 1975 in New York starb.
Im Wahljahr 2013 möchte ich an das Denken der philosophischen Politologin (so nannte sie sich selber) erinnern, denn „nichts ist flüchtiger als menschliche Worte und Taten;  wenn sie nicht erinnert werden, überleben sie kaum den Augenblick des Vollzugs.“ (H. Arendt, „Denken ohne Geländer“)


Mittwoch, 13. März 2013



Nachlese 1.2.2013
Hirnforschung und Willensfreiheit                                          (Text: Christian Brehmer)       
Wie erwartet gab es eine lebendige, mitunter auch heftige Diskussion. Denn mit diesem Thema rühren wir an das  Weltbild unserer Zivilisation. Unser Weltbild ist materiewissenschaftlich begründet. Die so genannte Naturwissenschaft ist, genau genommen, eine Materiewissenschaft: Für sie gibt es nur die sich selbst organisierende  Materie, und das, was wir als Geist bezeichnen, hat sich aus der Materie heraus entwickelt und ist abhängig von ihr (Monismus).
   Die Natur aber ist eine Ganzheit. Sie ist Materie und Bewusstsein, die miteinander interagieren (dualistischer Interaktionismus). Wenn z.B. ein Lebewesen stirbt –  sich das Bewusstsein zurückzieht – unterliegt  die Materie (der Körper) dem Zerfall. Also sind Materie und Bewusstsein zwei unterschiedliche, im lebenden Organismus mit einander interagierende Substanzen. Auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Materie ist  substanziell etwas anderes als die Materie selbst.
   Für die Materiewissenschaft gibt es kein substanzielles Bewusstsein,  denn es lässt sich nicht mit ihren Methoden nachweisen. Diese methodische Beschränkung ist durchaus erfolgreich in ihrem Bereich. (Unser materieller Wohlstand beruht zum  Teil auf dieser Methode.) Sie wird aber der Ganzheit der Natur nicht gerecht. Das führen uns die eklatanten Verwerfungen in unserer Gesellschaft und auf unserem Planeten drastisch vor Augen. Kein Wunder, wenn nur die Materie erforscht und das Bewusstsein wird negiert wird.
   Auf diesen Hintergrund ist – gemäß dem Verfasser dieser Zeilen – der Text aus dem Buch „Hirnforschung und Willensfreiheit“ (ed. Suhrkamp 2387; Frankf. 2004) zu verstehen, mit dem wir uns am 1.2. befasst haben. Da sagt der Neurophysiologe Wolf Singer S. 34: „wir rechnen uns zu den Organismen, die ihr In-der-Welt-Sein einem kontinuierlichen evolutionären Prozess verdanken“. Genauso wie man nicht fragt, woher die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Materie kommt, so fragt Singer nicht, warum es zu diesem kontinuierlichen evolutionären Prozess kommt und was sie antreibt. Denn diese Fragen lassen sich mit materiewissenschaftlichen Methoden nicht beantworten.
   Nach Singer lassen sich psychische Vorgänge wie „Wahrnehmen, Vorstellen, Erinnern und Vergessen, Bewerten, Planen und Entscheiden und schließlich die Fähigkeit Emotionen zu haben im Sinne kausaler Verursachung auf neuronale Prozesse zurückführen.“ Kausale Verursachung? Sind wir Roboter? Wer oder was verursacht denn die neuronalen Prozesse? Woher kommt es denn dass umgekehrt psychische Vorgänge körperliche Prozesse verursachen? Mittlerweile geht man z.B. davon aus, dass die Mehrzahl körperlicher Krankheiten psychosomatischen Ursprungs sind.
    
             Ja, die Philosophen stellen den Materiewissenschaftlern peinliche Fragen!

Die Annahme, dass unbewusste neuronale Prozesse psychisches Erleben bestimmen, wird durch empirische Beobachtungen (B. Libet) bestätigt: passiv-psychisches Erleben hinkt den neuronalen Vorgängen zeitlich hinterher. Handelt es sich aber um aktiv-psychische Vorgänge (willentliche), so belegen empirische Erhebungen (J. Eccles) genau das Gegenteil: neuronale Vorgänge hinken der bewussten Entscheidung  hinterher.
   Ein Beleg für Willensfreiheit? Nur bedingt, denn auch unsere willentlichen Entscheidungen sind weitgehend konditioniert (G. Roth). Doch wir können uns von unseren Konditionierungen durch Selbstreflexion stufenweise befreien. Damit wächst der Grad an Willensfreiheit. Richtet sich die Kraft der Selbstreflexion auf sich selbst (übergegenständliche Meditation) und werden alle Bewusstseinsinhalte transzendiert, tritt ein Zustand reinen Bewusstseins ein (R.K. Wallace), aus dem, wenn stabilisiert, freie Entscheidungen getroffen werden können. Nur der befreite Mensch hat Willensfreiheit. Sein Denken und Handeln ist im Einklang mit der Natur.
 
  Zum Abschluss unserer Gesprächsrunden, gehen wir ja immer noch ein paar Minuten in die Stille. Wir lassen alle Informationen und Auseinandersetzungen noch einmal in uns Revue passieren: reflektieren und – vielleicht – abstrahieren , transzendieren, um dann alles später zu integrieren. Das wäre Wachstum in Richtung Willensfreiheit – und Lebensfreude!  Praktische Philosophie! 

Vorschau 5. April
Verständlich, das Thema hat Wellen von Emotionen ausgelöst. Das brachte Lebendigkeit in unsere Runde, aber auch mitunter Unsachlichkeit. Nun, wir können ja versuchen, uns unsere Gesprächsregeln stets auf´s Neue zu vergegenwärtigen.
   Das Thema war keineswegs ausdiskutiert, und es kam der Wunsch auf, es am 5.4. noch mal aufzugreifen. Auch der obige Text, die „Nachlese“, ist eigentlich mehr eine Gegendarstellung und lädt zu Kommentaren ein, falls es nicht schon dazu im Blog gekommen ist. (Dazu sind alle eingeladen, auch die, die nicht an der Runde persönlich teilnehmen.)
    In diesem Zusammenhang haben wir am 1.2. eine Kopie ausgehändigt bekommen aus Die Welt: „Bleiben wir ein Leben lang derselbe? Nicht nur für Juristen ist es ein spannende Frage, ob der Mensch verantwortlich für etwas ist, was er vor Jahrzehnten getan hat“. Hier stellt der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth den gängigen Schuldbegriff infrage. Können wir überhaupt entgegen unserer Persönlichkeit handeln? Die Kopie wurde in unsere Rundmail eingescannt, für diejenigen, die beim 1.2. nicht dabei waren.