Donnerstag, 21. März 2024

 Philrunde 5.4.2024


Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!               Thea Rueve 
                                                                                        Hölderlin
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„Die Welt steht am Abgrund,“ so Merkel vor vielen, vielen Monaten, noch in
Amt und Würden, nur einmal durfte sie es sagen.
Mittlerweile hören wir diese aussagekräftige Botschaft aus verschiedenen
Richtungen leider zu häufig. Ja, es könnte Realität werden, ich glaube, sie ist es
schon. Denn eine Krise löst die nächste ab, aber unglaublich, ohne dass die
vorhergehende Krise gelöst ist. Wöchentlich eine neue Hiobsbotschaft. So
gewaltige Veränderungen auf dem ganzen Globus und Katastrophen. Dieses
schrieb ich vor einem knappen Jahr. Und heute, 25.10.23.
Aber: Jede Katastrophe birgt die Chance auf etwas Neues, ja Besseres. Alle
Krisen tragen in sich die Hoffnung und Möglichkeiten auf Veränderung zum
Guten. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
Was könnte das Rettende sein? Angesichts dieser befremdlichen und
unheilvollen Zukunft in allen Richtungen. Es gerät alles aus den Fugen.
Im Kleinen wie im Großen. Ich wundere mich. Worüber? In unserem kleinen
„Paradies“, dem Südoldenburger Münsterland, geht alles so weiter wie bisher.
So scheinbar sicher.
Aber…es täuscht, wenn wir ehrlich sind. Jemand schrieb einmal: „Es schreitet
voran mit der Auflösung der Zivilisation, wie wir sie kennen. Etwas geschieht
vor und hinter unseren Augen, etwas, das die Welt grundlegend verändern
wird.“
Das spüren viele. Spürte das wohl auch der Ex-Nachrichtensprecher Jan Hofer,
der seine Krawatte nach seiner letzten Tagesschau abband. Sie ist fast
verschwunden, die Krawatte. Eine Metapher für die „Auflösung der Welt.“ Wer
weiß?
Ja, es wird Einiges auf uns zukommen. Dieses „Einiges“ wird so bahnbrechend
sein, so wuchtig, wie wir es uns nicht vorstellen können! Es gab schon viele
Umbrüche in der Menschheitsgeschichte, die das Bewusstsein in einem hohen
Maße veränderten. Z.B. die Entdeckung Galileis: Die Erde ist eine Kugel.
Unglaublich! Von der Entdeckung des Atoms, den Elementarteilchen, den
Quanten und den Higgs ganz zu schweigen. Und genauso skeptisch und
argwöhnisch stehen die Menschen diesem Paradigmenwechsel gegenüber.
Aber irgendwann wird es geglaubt.

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Dazu hat die alte Dame mit der weißen Mähne, die Meinungsforscherin Noelle-
Neumann gesagt: „Wenn die kritische Masse erreicht ist in der Bevölkerung,
dann wird das Neue angenommen.“ Bezüglich der Ablehnung der Meditation
sagte ein Philosoph bei Scobel:
„Die auf dem Kissen, die mögen wir einfach nicht.“ Durch die Meditation
können wir die Erweiterung unseres Bewusstseins erlangen.
Jetzt steht uns eine neue Zeitenwende bevor. So sagt man (nicht so, wie Olaf
Scholz es meint). Dafür gibt es noch 3 andere Begriffe:
Paradigmenwechsel, Transformation, Perspektivwechsel.
Was kann nun das Rettende sein?
Das ist das Integrale Bewusstsein!
So sagen Wissenschaftler, Philosophen und spirituelle Lehrer. Auch Künstler.
Das Wort kennt heute fast keiner. Das „Rumoren“ begann meines Erachtens
schon um 1900.
Mit der Entdeckung der Quanten (Planck) und den anderen umwerfenden
Ergebnissen in der Physik, der Dichtung, der Philosophie und der Kunst.
In den Jahrhunderten davor ahnten schon Köpfe wie Hegel, Schelling, Lessing
und andere von diesem Neuen, man kannte den Namen „Integrales
Bewusstsein“ noch nicht. Das waren die Leute: „Avant la lettre.“
Bevor ich fortfahre, ist eine harte Nuss zu knacken: Die Mystik
Wenn ich davon in meinem Umfeld etwas sage, dann schallt es mir entgegen:
„Ich bin ein Realist. Die Mystik ist viel zu abgehoben. Nein, hör auf!“ Keine
Offenheit, selbst nicht bei besten Katholiken. Von den Evangelischen ganz zu
schweigen. Luther war auch gegen diesen „Zauber“. Vielleicht stimmt das nicht.
Hoffentlich! Und auch die katholische Kirche distanzierte sich in den meisten
Fällen erst einmal von derartigen Personen mit mystischen Erlebnissen und
Erfahrungen und stellte sie unter Häresieverdacht. Dabei verheißt sie, die
Mystik, die unvermittelte Verbindung zu dem Absoluten. Das war wohl der
Grund. Machtverlust könnte es bedeuten. Mystik ist nämlich an keine Religion
gebunden, denn es gibt sie in allen uns bekannten Religionen.
Im Islam – Sufismus
Im Hinduismus – Brahman, die ewige Göttlichkeit
Im Judentum – Kabbala
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Im Buddhismus – Satori
Und ganz modern, bekannt den meisten Menschen: Yoga, denn im Yoga gibt es
Praktiken geistiger Konzentration, z.B. Fakire, obwohl in Europa der Fokus
eigentlich noch immer auf der sportlichen Betonung liegt.
Ein Philosoph bei Scobel sagte: „Die auf dem Kissen sitzen, die mögen wir
nicht.“
Das war nun die Nuss. Sie führt immer noch ein Schattendasein, diese Mystik.
Aber es ändert sich. Auf dem ganzen Globus zu spüren. Aber warum sie so
lange nicht zur Kenntnis genommen wurde, lag, wie schon erwähnt, auch an
der Kirche. Gut unterrichtete Kreise werfen der Kirche vor, die Mystik in ihren
Glaubensoffenbarungen sträflich vernachlässigt zu haben.
Zu diesen Kreisen gehörte unser alter Ministerpräsident Ernst Albrecht, Vater
von Ursula von der Leyen und Friedrich von Weizsäcker, Bruder unseres
ehemaligen Bundespräsidenten. Physiker und Philosoph. Andere spirituelle
Lehrer sind sogar der Meinung, diese Tatsache sei mitverantwortlich für den
Zerfall der Kirche. Davon aber später mehr. Zu erwähnen ist aber noch etwas
Spezielles. Eine Aussage unseres Papstes. Direkt aus dem Vatikan. Gelesen im
l‘Osservatore Romano, der Zeitung des Vatikans. Ich lernte viel!
Erneute Frage: Wie kommen wir nun zu dem Rettenden?
Vor vielen, vielen Jahren, ja Jahrzehnten, dachte ich plötzlich: „Mystik ist
Bewusstseinserweiterung.“
„Ich fragte alte, weiße Männer (und Frauen). „Ich bin Realist!“ Wie schon
gehabt.
Ich fragte alte, weise Männer (und Frauen). Sie gaben mir Recht. Ich fragte: „Ist
die Mystik die Bestimmung des Menschen?“ Auch diese Frage wurde bejaht. Ich
interessierte mich weiterhin. Allein!
Ich lernte noch viel mehr! Aber vor ein paar Jahren ging es erst richtig los. In
Gerleve, wo ich einmal tagte, fiel mir ein Buch in die Hände, das war für mich
die Offenbarung: „Wohin geht der Mensch?“ von dem Jesuiten Enomiya-
Lassalle, aus dem Sauerland stammend. Besonders beeindruckt war ich im
ersten Moment von dem Vorwort, das von Ernst Albrecht, dem Vater von
Ursula von der Leyen und Friedrich v. Weizsäcker, dem Bruder von unserem
ehemaligen Bundespräsidenten geschrieben wurde. In diesem Buch hörte ich
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zum ersten Mal die Worte „Integrales Bewusstsein“ und konnte die vier
Bewusstseinsstufen kennenlernen. Von nun an lernte ich noch viel mehr.
Wer war Lassalle?
Diese höchst interessante Persönlichkeit deutscher Herkunft, ein Jesuit, wie
schon gesagt, weilte während des Abwurfs der Atombombe in Hiroshima. 1400
Meter vom Abwurf entfernt, überlebte wie durch ein Wunder. Er meditierte.
Die Praxis des Meditierens und die östliche Weltanschauung der Religion wollte
er dem Westen nahebringen. Er wollte Ost und West miteinander verbinden,
auch kulturell, wie so viele spirituelle Lehrer, und versöhnen. Dadurch brachte
er der Menschheit eine große Erkenntnis, die erst in den letzten Jahren immer
mehr publik gemacht und akzeptiert wird. Davon später noch mehr.
In Hiroshima ließ er nach dem Abwurf der Atombombe eine Friedenskirche
bauen und in Tokio eine Universität. Eine Freundin erzählte, dass ein großes
Foto im großen Saal der Universität hinge. In diesem Saal nahm ihre Tochter
den Doktorhut entgegen. Lasalle jettete bis zu seinem Tod, er wurde 90, um die
Welt, um seine Erkenntnisse und seine Friedensbotschaft den Menschen
näherzubringen. Von ihm also erfuhr ich von den Bewusstseinsstufen, die die
Menschheit durchlebt und noch durchleben wird. Und noch nie hatte ich von
einem Zusammenhang zwischen der Mystik und dem Integralem Bewusstsein
(I.B.) gehört.
Diesen hatte ich ja selbst vermutet. Es wurde immer spannender. Ich lernte
immer mehr.
Bevor ich zu der Beschreibung der Bewusstseinsstufen komme, ist ein Blick
zurück in die Antike von Bedeutung, zu Platon. Denn Europas Mystik wurzelt in
der Antike. Die prägende Wirkung von Platon ist nicht zu unterschätzen. Die
mittelalterlichen Mystiker erkannten Platons Thesen als große geistige Kraft an.
Um diesen Tatbestand zu untermauern, muss das bekannte Höhlengleichnis
erwähnt werden. Die Menschen in der Höhle leben in einer Sinnenwelt. In
dieser Welt sehen die Dinge nicht so aus, wie sie wirklich sind. Sie sind nur
Abbilder, die die Menschen mit ihren Sinnen erkennen. Auch wir halten die
Welt um uns herum für das einzig Wahre. Es ist nur eine Scheinwelt. Um
wirklich sehen zu können, müssen wir uns aus der Höhle befreien. Das wollen
wir Menschen nicht. Wir wollen das Gewohnte bewahren. Um wirklich zu
erkennen, braucht es Mut. Wir müssen die Höhle verlassen. Dann erlangen wir
Erkenntnis. Von Platon stammt auch der Satz von „dem Guten, Wahren,
Schönen.“
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Der Exkurs zu Platon war wichtig. Das also ist das zentrale Thema. Integrales
Bewusstsein und Mystik. Sie bedingen einander. So denke ich. Aber zunächst
die kurze Beschreibung der vorhergehenden Bewusstseinsstufen, die die
Menschheit durchlebt hat.
Das Lernen ging immer weiter.
1.Das archaische Bewusstsein
In diesem lebte der Mensch der Urzeit. Er war sich seiner Identität nicht
bewusst. Man fühlte sich eins mit dem Kosmos. Das „Ich“ war noch nicht
entwickelt. Der Sprung von einer Stufe in die nächste geschieht durch Evolution.
Ob wir wollen oder nicht. Der Sprung von einer Stufe in die nächste findet nicht
gleichzeitig auf dem ganzen Globus statt.
2. Das magische Bewusstsein
Rein in die nächste Stufe. Der magische Mensch befindet sich schon in einem
Dämmerzustand des Aufwachens. Er wird aus der Identität mit dem Ganzen
herausgeworfen. Ein erstes Bewusstsein setzt ein. Es ist aber noch „schlafhaft“.
Eine andere Seite des magischen Menschen war, dass er in hohem Maße
telepathisch war und Geschehnisse unmittelbar wahrnehmen konnte, die sich
in weiter Ferne abspielten. Das wird heute oft, noch immer, als Humbug
abgetan, gerät aber immer mehr ins Blickfeld. Religiöse Rituale wurden in
völligem Schweigen durchgeführt. Kunst: Köpfe ohne Mund.
Achtung: Alle Stufen leben noch in uns weiter, bis heute.
3.Das mythische Bewusstsein
Lassalle warnte davor, die Mythen abzulehnen wie es die Wissenschaft und
ebenso die Kirche tat und tut. In dieser Phase erwachte das Ich-Bewusstsein
immer mehr. Fernwissen und Telepathie nahmen ab. Jetzt tritt der Mund in der
Kunst auf den Plan.
4. Das mentale Bewusstsein
Der Übergang vom mythischen zum mentalen Menschen war ein
außerordentliches Geschehen. Dieser Übergang geschah etwa um 500 vor
Christus. Das war die sogenannte Achsenzeit, laut Jaspers. Zu dieser Zeit lebten
all die griechischen Philosophen. Platon, Heraklit, Aristoteles usw. und sofort.
Ein kleiner Einschub.
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Aristoteles Losung war: Entweder-Oder
Heraklit sagte: Sowohl als auch.
Ein zeitgenössischer Philosoph sagte dazu: Wenn sich die Menschheit nach
Heraklit gerichtet hätte, sähe unsere Welt heute besser aus. Sie richtete sich
nach Aristoteles. Noch ein kurzer Einschub. Nach Platon wurde das sogenannte
Platonische Jahr benannt. Dauer: Ca. 26.000 Jahre. Es nähert sich seinem Ende
zu. Das letzte Zeitalter, in dem wir noch leben, ist das Fische-Zeitalter. Das neue
Zeitalter wird das Wassermann-Zeitalter sein. Das erste im neuen Platonischen
Jahr. Wie seriös das zu beurteilen ist, ich kann es nicht sagen. Aber ich glaube,
es ist ein Thema der Astronomie, nicht der Astrologie.
Mit dem Beginn des neuen Zeitalters, dem Zeitalter des Mentalen
Bewusstseins, das sich also zuerst in Griechenland vollzog, wurde der Mensch
das Maß aller Dinge. Die Schrift, die ursprünglich von rechts nach links ging
(heute noch in China und Japan), ging seitdem von links nach rechts. Die linke
Seite gilt als das Unbewusste, die rechte versinnbildlicht das Wachbewusstsein.
Thales von Milet schrieb schon im 6. Jahrhundert vor Christus am Tempel des
Apollo in Delphi: Erkenne dich selbst. Von links nach rechts. Vom Unbewussten
zum Bewussten! Das ist in unserer Zeit eins der wichtigsten Themen! Jetzt
wurde auch das Matriarchat vom Patriarchat abgelöst.
Monarchien sind auch Ausdruck von Vaterschaft. Gott wurde als Vater
bezeichnet. Der Mensch wurde sich seiner bewusst. Verließ er in dieser Zeit das
Paradies?
Und heute sollen wir uns erneut an der Schwelle zum neuen Bewusstsein
befinden. Die Transformation der Menschheit, sie soll die größte sein, die sich
auf dem Globus ereignete. So sagen die Wissenschaftler.
Die Wegbereiter des I.B. haben eine Geschichte des Bewusstseins in der
Evolution beschrieben, die überzeugend den Schluss nahelegt, dass sich die
Menschheit momentan in dem Übergang zu einer sich neu entfaltenden
Bewusstseinsstufe befindet. Siehe oben.
In der Zeit des I.B. soll der Dualismus verschwinden. In der Zeit der Renaissance
erlebte das rationale Denken seinen Höhepunkt! Und führt uns bis heute in den
Abgrund. Entweder- Oder. Selbst die Religionen haben sich in diesem Sinne
entwickelt.
Lassalle sagte: „Es gibt nur eine Lösung, eine weitere Bewusstseinsstruktur. Nur
so kann das Übel an der Wurzel geheilt werden. Dass der Mensch erkennt, was
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diese Struktur ist und wie sie verwirklicht werden kann und vor allem, was er
selbst dazu tun kann, damit sie zum Durchbruch kommt, das ist das Gebot
dieser
Weltstunde.
Ich lernte Außerordentliches.
In diesem Zusammenhang noch eine interessante Information aus dem Vatikan.
Im l ’Osservatore Romano, der Zeitung des Vatikans, konnte ich etwas lesen,
was mich umhaute. Franziskus richtete sich an die Chefredakteure der
Kulturzeitschriften der Gesellschaft Jesu, ca. 10 waren es. „Es reicht nicht aus,
Ideen zu vermitteln. Man muss Ideen vermitteln, die aus der Erfahrung
kommen. Das ist für mich sehr wichtig. Dieses Phänomen der abstrakten
Vorstellung ist übrigens sehr alt. Sie kennzeichnete zum Beispiel die dekadente
Scholastik, eine Theologie der reinen Ideen, die von der Begegnung mit Jesus
völlig entfernt war. Kulturzeit muss an der Realität arbeiten.“
Ich habe vor vielen Jahren versucht, den Thomas von Aquin zu lesen. Schnell
legte ich ihn zur Seite. Für mich war es Gehirnakrobatik.
Mich erstaunte: Franziskus bezeichnete die Scholastik als dekadent!!! Ich
wiederhole noch einmal. Oder sagte ich es noch gar nicht?
Jedem Durchbruch einer neuen Phase geht eine schwere Zeit voraus. Da sind
sich alle Personen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, einig.
Entwicklungen finden in Krisenzeiten statt.
Von diesen zerstörenden Elementen haben wir heute ja genug.
Jetzt kommen wir zum Kernstück dieses Themas, dem
5. Integralen Bewusstsein
An dieser Schwelle also sollen wir heute stehen. Welche unglaubliche
Botschaft!!! Da sind sich viele kluge Köpfe einig!
Lassalle sagte: „Was die neue Mutation betrifft, die uns retten kann, so hängt es
nicht von uns ab, dass sie überhaupt kommen kann, wohl aber in etwa, ob sie
wohl bald zustande kommt.“
In diesem Zusammenhang müssen auch die Dimensionen genannt werden, in
die wir hineintreten werden. Sie entzieht sich jeder Darstellung. Das ist keine
Esoterik, sondern Wissenschaft.
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Auch die Noosphäre, die von dem Russen Wernadsky „entdeckt“ wurde, er war
Geologe, Geochemiker und Mineraloge (und mehr), muss erwähnt werden. Ich
will sie nur erwähnen, nicht weiter darauf eingehen. Es würde den Vortrag
sprengen. Die Noosphäre ist eine Phase der Entwicklung, das die Biosphäre
geologisch durchlebt und in der die Menschheit zu einem Geist
zusammenwächst.
Was ist nun das I.B.? Integrale Theorie bezeichnet eine Schule von
Weltanschauungen. Bemüht sich um die Sicht der Menschen in der Welt, oft
auch des Geistigen und Göttlichen ganz allgemein. Sie will verschiedene
human- und geisteswissenschaftliche Denkanstöße verbinden sowie Elemente
prämoderner, postmoderner, östliche und westliche Weltsichten und rationale
und spirituelle Gedanken integrieren.
I.B. wirkt gegenüber anderen Weltdeutungsmodellen, wie z. B. der Esoterik,
vergleichsweise solide durchdacht und seriös.
Nun zum letzten wichtigen Teil: Wissenschaftler kommen zu Wort. Allen voran:
Friedrich von Weizsäcker, Bruder unseres ehemaligen Bundespräsidenten,
schon an anderer Stelle erwähnt, darf den Reigen eröffnen. Diese Persönlichkeit
hat mich sehr beeindruckt, sehr kurz stand ich schon im Briefkontakt mit ihm.
Dieser Wissenschaftler kann als überzeugender Repräsentant dieser
bahnbrechenden Zeitenwende genannt werden. Von ihm stammt folgendes
Statement: Die fundamentale Struktur der Quanten ist ihr Holismus, das ist die
Lehre, die alle Erscheinungen des Lebens aus einem ganzheitlichen Prinzip
ableitet. Jede Abtrennung einer Alternative eines für sich bestehenden Objekts
vom Rest der Wirklichkeit ist nach der Quantentheorie eine Fiktion. Holismus
bezeichnet Denken in Ganzheiten, so strebe auch die Physik durch ihren
eigenen Fortschritt genötigt einem Integralen Bewusstsein zu.
Die Publizistin Gräfin Dönhoff von der „Zeit“ fasste es zusammen, über Friedrich
von Weizsäcker.
In zwei Disziplinen ist er gleichermaßen zuhause, denn er hat nach einem vollen
Physikstudium ein zweites volles Studium der Philosophie absolviert und
überdies ist ihm der religiöse Bereich von fernöstlicher Lebensweisheit bis zur
christlichen Lehre sehr vertraut. Dass aber auch eine mystische Seite existiert,
ist wenigen bekannt. Weizsäcker gilt als Zeitdiagnostiker, Mahner und
Vordenker der Weltinnenpolitik. Ein Zitat von ihm:
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„Alles ist verloren, wenn wir entschlossen sind, auf nichts zu
verzichten.“
Ihm ging es also um das Ganze (Holismus). Er war allein, seine Kollegen
misstrauten seinen mystischen Erkenntnissen. Ihnen galt es als unmöglich, was
er wollte. Dasselbe erlebte Max Planck, der Erfinder der Quanten. Ihm wehte
zuerst nur Skepsis und Häme entgegen. Auch Teilhard de Chardin sagte: „Bin ich
der Einzige, der sowas weiß?“
Ja, unsere materielle Weltsicht! Weizsäcker sagte auch: „Glaubt nicht immer
der Wissenschaft.“ Sinngemäß. Er warnte vor blindem Wissenschaftsglauben.
Hierhin passt auch Einsteins Aussage über das Mysteriöse: „Das Schönste, was
wir erfahren können, ist das Mysteriöse. Es ist die Quelle aller Kunst und
Wissenschaft.“ Einstein sagte auch: „Die Welt ist eine Illusion“ und in
Anlehnung an Sokrates „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Von Weizsäcker beschreibt den Jesuiten Lassalle als jemanden, der aus der
religiösen Erfahrung von Jahrtausenden lebte und doch seiner Zeit weit voraus
war.
„Unsere Welt wird in zunehmendem Maße durch den Dialog der Weltreligionen
geprägt. Und das ist unvermeidlich, denn die Welt erfährt sich immer mehr als
Eine Welt.
Lassalle steht in der Tradition der Mystik, der christlichen, die zu Unrecht eine
Existenz am Rande führen musste. All zu oft stieß sie in der Kirche auf
Unverständnis. War es die Angst über den Verlust der Macht über den
Menschen? Wie schon erwähnt. Es gab auch andere kritische Stimmen, die den
Zerfall der Kirche auf das Fehlen der Mystik zurückführen. Schon erwähnt.
Eine Freundin schickte mir einen Artikel aus einer Zeitung über von Weizsäcker.
In diesem Artikel erklärte er, dass ein chinesischer Zuhörer in einer seiner
ersten Vorlesungen bemerkt hat, dass das neue Wirklichkeitsverständnis der
Quantenmechanik die Europäer gewiss überraschen müsse, aber in die
Denktradition des Buddhismus es sich bruchlos einfüge. Ich glaubte damals und
denke es heute, dass all dies uns angeht. Nicht, weil es asiatisch sondern weil es
wahr ist und dass die säkulär langsame Auseinandersetzung mit solchen
Wahrheiten das nährende Grundwasser der jahreszeitlich aufblühenden und
vergehenden Kulturen und politischen Vorherrschaften auf dem Erdball ist.
Das Lernen wurde immer interessanter.

Dienstag, 23. Januar 2024

 Philrunde 2.2.2024

Was wir von der Meditation lernen können      Achtsamkeit-Ethik Heute

Energiekrise und Inflation erzeugen Furcht vor Wohlstandsverlusten. Doch wie kann man innerlich frei bleiben und mit Ängsten und dem Verlangen, dass alles bleibt, wie es ist, gut umgehen? Meditationlehrer Gerald Blomeyer gibt Anregungen aus der Ein Buch, das die Achtsamkeit weiterentwickelt

Wie können wir den aktuellen Krisen mit Achtsamkeit begegnen? Die Autoren erweitern die Achtsamkeit von der individuellen Praxis auf die soziale, ökologische und gesellschaftliche Ebene. Ein wichtiges Buch, das die Praxis der Achtsamkeit relevant macht für unsere Zeit.

„Achtsamkeiten“ ist ein Praxisbuch. Es ist aus der jahrelangen Achtsamkeitspraxis der Autoren, die alle drei Hochschullehrer sind, entstanden. Es will Menschen möglichst einfach und voraussetzungslos Übungen nahebringen, die nicht nur zu einem bewussteren Sein, sondern auch zum Handeln in der Welt inspirieren.

Sie nehmen den individuellen Fokus der Achtsamkeit wie Meditation, Wahrnehmungsübungen oder Körperübungen aus dem Yoga als Basis, um daraus das Verständnis und die Praxis von Achtsamkeit zu erweitern. Sie fassen diese Erweiterung der Achtsamkeit als ein „Schlüsselbund der Achtsamkeiten“, das die individuelle, soziale und ökosystemische Dimension umfasst.

Sie schreiben: „Du trainierst Deine Fähigkeit, bewusst im Hier und Jetzt zu sein, nicht nur im Geist meditierend auf dem Sitzkissen oder der Yogamatte. Sondern auch im Dialog, in der Gruppe und im unmittelbaren Kontakt mit der Welt.“

Von Mindfulness zu Heartfulness

Mit dem „Du“ wird der/die Lesende unmittelbar angesprochen und freundlich ermutigt, die Übungen auszuprobieren. Der individuelle Schlüssel umfasst die Praxisformen, die im Kontext der achtsamkeitsbasierten Stressbewältigung von Jon Kabat-Zinn Verbreitung finden, darunter die Sitz- und Gehmeditation, den Body Scan und daraus abgeleiteten Moving Body Scan oder das achtsame Schreiben.

In der sozialen Dimension bezieht sich das Buch auf dialogische Achtsamkeitspraktiken wie die Dyaden, welche die Neurowissenschaftlerin Tania Singer erforscht hat und in ihrem Programm Humanize anbietet. Dabei tritt man mit einem anderen Menschen in einen kontemplativen Dialog. Man lernt, sich in die Gefühlswelten eines anderen Menschen zu versetzen. Mindfulness wird ergänzt durch Heartfulness.

Eine erweiterte Form dieser Übung in einer Kleingruppe bezeichnen die Autoren als Social Body Scan. So wie man beim individuellen Body Scan den eigenen Körper tiefer wahrnimmt, wird hier das „soziale Feld“ des Miteinanders sensibler wahrgenommen.

Diese umfassendere Wahrnehmung wird in den ökosystemischen Achtsamkeitsübungen auf das Beziehungsfeld mit der Natur und den gesellschaftlichen Gegebenheiten erweitert. Beim sogenannten Eco Body Scan werden Übungen von Otto Scharmer und Arawana Hayashi genutzt. Hier ist der Körper das Ausdrucksmittel, um bestimmte Fragestellungen abzubilden, gemeinsam wahrzunehmen und neue Impulse zur Lösung zu erhalten.

Zukunftspotenziale erkennen

Beim Eco Body Scan kann man allein mit kreativen Materialien oder gemeinsam mit anderen Menschen in einer Aufstellung das private und berufliche Beziehungsgefüge, in dem man lebt, sichtbar werden lassen.

Darüber hinaus kann man das Ökosystem, in dem man lebt, und die darin liegenden Zukunftspotenziale wahrnehmen. Im Buch schildert Hubert Ostermeier, wie er zu neuen Ansichten kam, als er über die Wahl eines neuen Lebensmittelpunkts nachdachte. “In der Visualisierung konnte ich mit allen Sinnen wahrnehmen, was ich selbst möchte und in welcher Beziehung ich beispielsweise zu Menschen oder Regionen stehe.”

Eine weitere ökosystemische Übung ist das Eco Sense Lab, das ökologische Wahrnehmungsübungen mit bewusstem Sehen, Riechen, Hören, Schmecken und Tasten umfasst, um sich mit der lebendigen Welt zu verbinden und sich in der Natur von der Online-Zeit zu regenerieren.

Eine lebensdienliche Zukunft mitgestalten

Die Autoren möchten mit ihrem Werk auch einen Impuls in die Gesellschaft senden. Denn ohne die individuellen, sozialen und ökosystemischen Achtsamkeiten können wir den Herausforderungen wie Sinnkrise, soziale Polarisierung, Umweltzerstörung und Digitalisierung nicht nachhaltig und auf tieferer Eben begegnen.

Gleichzeitig ist ihr Ansatz auch eine Antwort auf die Kritik an der Achtsamkeit, dass sie Menschen noch selbstbezüglicher in einer „achtsamen Blase“ verschwinden lässt.

Achtsamkeit bedeutet in diesem erweiterten Verständnis nicht nur eine tiefere Anwesenheit im Hier und Jetzt, sondern auch die Frage, wie wir individuell und kollektiv eine lebensdienliche Zukunft gestalten können. Achtsamkeit erhält damit eine ethische Relevanz, die sie eigentlich immer hatte.

Denn wie die Weisheitstraditionen, aus denen die moderne Achtsamkeit stammt, immer betont haben: Meditative Praxis ist nur dann echt und vollständig, wenn sie auch unser Beziehungsverhalten transformiert und uns mitfühlend werden lässt für das Leiden in der Welt. Und wir daraus handeln. Es ist ein Verdienst dieses Buches, dass es dafür eine moderne Sprache findet und leicht zugängliche Übungen anbietet.

Mike Kauschke

Mike Sandbothe, Ryk Albrecht, Hubert Ostermaier. Achtsamkeiten – Übungen für mich, für uns und für die Welt. Fischer & Gann 2023